Seite:Dresdner Geschichtsblätter Erster Band.pdf/140

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.

ob sie die Schwibbögen selbst abtragen und die Leichen bei Nacht auf einem bedeckten Wagen, der ihnen dazu gestellt werden sollte, nach den ihnen auf dem Johanniskirchhofe anzuweisenden Plätzen schaffen oder ob sie sich von alledem lossagen wollten. Da sich darauf niemand rührte, ließ der Rath am 21. Juni ein zweites Patent herumgehen, worin er mittheilte, daß er mit Wegschaffung des dem Gotteskasten gehörigen Trostschen Schwibbogens bereits einen guten Anfang gemacht habe, und die Betheiligten eindringlich und inständig ermahnte, sich der harten Nothwendigkeit zu fügen und es zu den vom Festungsgouvernement angedrohten Gewaltmaßregeln nicht kommen zu lassen. Die meisten erklärten nun sich fügen zu wollen, während einige Handwerksmeister dem Boten des Raths antworteten, die Leichen wären einmal begraben, man könne ihnen daher nicht zumuthen, sie wieder wegzuschaffen; verzichtet wollten sie aber auf ihren Schwibbogen nicht haben.[1]

Durch die Weigerung dieser und die Unthätigkeit anderer Besitzer von Schwibbögen sah sich der Rath genöthigt, die Abbruchs- und Abräumungsarbeiten selbst ausführen zu lassen. Im Rathskollegium kam es darüber zu einer scharfen Auseinandersetzung mit dem regierenden Bürgermeister Dornblüth, der die Arbeiten angeordnet hatte, aber sich als Brückenamtsverwalter weigerte, die Kosten auf die ohnehin erschöpfte Kirchenkasse zu übernehmen. Erst nach dreiwöchigem Warten erhielten die Arbeiter ihre Löhne aus der Kämmereikasse ausgezahlt.[2]

Der Kirchhof blieb nun geschlossen und die Bürgerschaft hatte sich nothgedrungen dabei beruhigt – da rückte bereits nach sieben Jahren die Frage seiner völligen Beseitigung wieder in drohende Nähe, und zwar im Zusammenhange mit der Erbauung der neuen Frauenkirche. Die Geschichte dieses Baues ist erst kürzlich in dem schönen Werke J. L. Sponsels eingehend dargelegt worden und es bedarf daher hier über unsere Frage nur weniger Worte. Jetzt stimmte der Rath selbst, dem der Kirchenbau sehr am Herzen lag, der Aufhebung des Kirchhofs unbedenklich zu. In einer Eingabe an den König vom 26. Juni 1722 bemerkte er, bei dem Baue würden die Schwibbögen und Monumente allerdings nicht an ihrer Stelle bleiben können und man sei daher willens, ihren Besitzern freizustellen, die Epitaphien an sich zu nehmen, bis sich ein Ort zu ihrer Wiederaufstellung finde; für ihr Gedächtniß bei der Nachwelt sei ja glücklicherweise durch die vom Kirchner Michaelis veröffentlichte genaue Beschreibung gesorgt. Nicht so kühl sah der Superintendent Löscher die Sache an. In einer Berathung der Kirchenbaukommission wies er nachdrücklich auf die große Ungerechtigkeit hin, die durch die Entziehung der von ihren Besitzern erkauften Begräbnißstellen begangen würde, und verlangte nochmalige Vorstellung dagegen an höchster Stelle. Als ihm der Stadtsyndikus Behrisch entgegnete, derartige Vorstellungen hätten sich bereits früher als vergeblich erwiesen und die Abräumung des Kirchhofs sei doch bei dem jetzigen Baue ganz unvermeidlich, gerieth Löscher in großen Zorn und warf dem Syndikus vor, daß er die Sache leichtfertig behandle. Zu seiner Beruhigung beschloß ihm der Rath einen Auszug aus den Akten von 1715 mitzutheilen, woraus er sich von der Nutzlosigkeit weiteren Widerstandes überzeugen könne. Wahrscheinlich auf Löschers Veranlassung wandten sich die Besitzer der Erbbegräbnisse, die nun beim Rathe keinen Rückhalt mehr fanden, am 30. Dezember 1723 in einer Eingabe an den König, worin sie nochmals um Aufrechterhaltung ihres Besitzes baten, andernfalls aber verlangten, daß man ihnen Grabgewölbe unter der neuen Kirche anweise, oder, wenn dies nicht angängig, der Rath wenigstens angehalten werde, ihnen auf dem neuen Kirchhofe ihre Begräbnisse in derselben Beschaffenheit neu aufzubauen. Der Rath dagegen, der sich jetzt sogar auf den ästhetischen Standpunkt stellte und den Kirchhof als unvereinbar mit den in dieser Gegend neuerdings entstandenen Verschönerungsbauten betrachtete, schlug vor, die Betheiligten durch unentgeltliche Ueberweisung von Plätzen auf dem neuen Friedhofe zu entschädigen, erklärte es aber für ihre Sache, die Uebertragung der Schwibbögen und der Leichen zu besorgen.[3]

Mit dem Grundgraben zur neuen Kirche begann im Oktober 1724 die Ueberführung der Leichen nach dem neuen (Elias-) Friedhofe. Was aus den zahlreichen Kunstwerken der Epitaphien geworden ist, läßt sich nicht bestimmt sagen. Vermuthlich haben viele Besitzer von Erbbegräbnissen von dem Rechte, die Epitaphien an sich zu nehmen, Gebrauch gemacht, dann aber der Kosten wegen nicht für ihre Wiederaufstellung gesorgt, und so wird das meiste zu Grunde gegangen sein. Ein von dem Eigenthümer damals weggenommenes Kunstwerk ist wahrscheinlich die im Hofe Terrassengasse Nr. 12 eingemauerte schöne Sandsteinarbeit aus dem Jahre 1561, die in einer Dreitheilung die Kreuzigung und zu den Seiten das Abendmahl und die Himmelfahrt, darüber den segnenden Gott Vater zeigt, ebenso der im Flur desselben Hauses angebrachte Grabstein, auf dem ein Engel mit der Friedenspalme neben einem Kinde dargestellt ist. Die Wierandsche Eisenplatte und das Schaffhirtsche Relief,


  1. B. II. 8.
  2. B. XV. 159x
  3. B. II. 14.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 1 (1892 bis 1896). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1892–1896, Seite 133. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Erster_Band.pdf/140&oldid=- (Version vom 7.4.2024)