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Heinrich Friedrich Graf von Friesen, geboren 1681 zu Mastricht in Holland, war der Sohn jenes ersten Grafen Julius Heinrich, der 1706 als österreichischer Generalfeldmarschall in Rastatt gestorben war. Das Schicksal seines Vaters konnte ihn nicht ermuntern, Anstellung in Sachsen zu suchen, er trat daher in russische Dienste, that sich in den Schlachten von Pultawa und am Pruth hervor und wurde Oberst. Als er 1711 den Zaren Peter den Großen auf einer Reise nach Dresden begleitete, wurde er hier veranlaßt, in sächsische Dienste zu treten, wurde Oberst des Wackerbarth’schen Regiments und als solcher bei der Erstürmung von Stralsund 1715 verwundet. Zum General befördert, hatte er ein Kommando in Polen. 1725 heirathete er die junge Gräfin Cosel. Er wurde später Generallieutenant, General der Infanterie, Gouverneur von Dresden und aller Festungen im Lande. Um Heilung von der Wassersucht zu suchen, reiste er nach Montpellier in Frankreich und starb in Cette im Jahre 1739.

Von seiner schönen Gemahlin, welche nach nur dreijähriger Ehe, wenig über 20 Jahre alt, an den Blattern starb, hatte er zwei Söhne, von denen der eine jung seiner Mutter folgte, der andere aber, August Heinrich, bei des Vaters Tode, erst 13 Jahre alt, in den Besitz des Hauses am Jüdenhofe kam.

Vormünder des jungen Grafen waren ein Herr von Carlowitz und ein Geheimer Rath von Holtzendorff. Dieselben berichten im Jahre 1742 an die Obervormundschaft: sie hätten das Haus am Jüdenhofe mit Möbeln und voller Einrichtung vermiethet, und zwar den 1. Stock an den General Grafen Baudissin für 400 Thaler, den 2. Stock an den Obersten Grafen Bellegarde für 300 Thaler jährlich. Nachdem aber beide wieder ausgezogen seien, habe der Geheime Rath Baron von Hennike sich erboten, das ganze Haus ohne Möbel für 812 Thaler jährlich zu miethen unter der Bedingung, daß es, da es sehr niedergewohnt sei, wieder hergestellt werde. Da die Renovation dringend nothwendig gewesen und das Anerbieten sehr vortheilhaft erschienen sei, hätten sie die Herstellung für den Preis von 1088 Thalern ausführen lassen und bäten die Obervormundschaftsbehörde um Genehmigung dieser Ausgabe.

Der Geheime Rath Baron von Hennike hat vermuthlich das Haus in diesem Jahre bezogen. In den Dresdner Geschoß-Registern ist er 1746, damals schon Graf und Konferenzminister, als Besitzer mit einer Kaufsumme von 15 000 Thalern eingetragen. Dies war das Jahr, in dem der junge Graf von Friesen mündig wurde.

Dieser ging mit dem Marschall von Sachsen nach Frankreich, stand am Hofe Ludwigs XV. in großer Gunst und wurde schließlich Maréchal de camp in derselben Armee, die sein Großvater bis an sein Lebensende bekämpft hatte. Vom Marschall von Sachsen erbte er die Herrschaft Chambord, wo er sich meist aufhielt und wo er auch kaum 28 Jahre alt unvermählt starb. In Wesen und Anschauungen vollständig Franzose geworden, hatte er keinen Sinn für sein früheres Vaterland und seine daselbst lebende Familie. Sein ziemlich bedeutendes Vermögen blieb in Frankreich, seine Güter Schönfeld, Graupa, Jessen, Pratzschwitz u. s. w. kamen aus der Friesenschen Familie heraus an die Nachkommen der Schwestern seines Großvaters.

Das fünfte Haus, welches die Friesen besessen haben, ist auf der Scheffelstraße Nr. 9. Der Oberkammerherr und Geheime Rath Freiherr von Friesen - mein Großvater- kaufte es im Jahre 1811 von einer Gräfin Schönburg, hat aber niemals dort gewohnt, da er noch ein anderes Haus besaß. Nach seinem im Januar 1824 erfolgten Tode kaufte der Staatsfiskus das Haus für 17 000 Thaler; es war von da ab Polizeigebäude und wurde während der Septemberunruhen 1830 demolirt. – Das zweite Haus, das mein Großvater besaß, liegt auf der Großen Brüdergasse Nr. 25. Heute noch erkennt man auf den ersten Blick, daß es kein Miethhaus gewesen ist; es trägt noch den Stempel eines vornehmen Familienhauses. Das Haus war denn auch seit langer Zeit in Händen vornehmer Leute gewesen, welche es jedenfalls allein bewohnten. 1766 war ein Kammerherr Graf Loß auf Olbernhau Besitzer. 1770 kaufte es von ihm ein Geheimer Rath und General– Bergkommissar von Heynitz, der es 1775 wieder an Frau Christine Jacobine verw. von Friesen geb. von Werthern, die Mutter meines Großvaters, für 11 500 Thaler verkaufte. Ihr Gemahl war 1768 gestorben; von da an hatte sie in Rötha gelebt und die Vormundschaft über ihren damals nur 11 Jahre alten Sohn selber geführt; nachdem derselbe aber schon 1775 für mündig erklärt worden war, zog sie nach Dresden und bezog im Herbst desselben Jahres das Haus. Schon drei Jahre darauf starb sie und hinterließ das Haus ihren beiden einzigen Kindern, einer Tochter und diesem Sohne, Johann Georg Friedrich, Besitzer von Rötha, Trachenau, Biesenroda, Königsbrück und Rammelburg, damals Assessor am Hofgericht zu Leipzig und Kammerherr. Dieser, mein Großvater, bezog das Haus 1780 mit seiner Frau geb. von Krosigk, hat es dann nach dem Tode dieser ersten Frau 1781 leer stehen lassen und nachdem er inzwischen 1783 mit einer Gräfin Schulenburg sich verheirathet, erst 1801 mit seiner ziemlich zahlreichen Familie wieder bezogen und bis zu seinem Tode 1824 bewohnt.

Er hatte von seinen beiden Frauen 13 Kinder und führte ein höchst glückliches Familienleben. Mehrere von ihnen, u. a. auch mein Vater, der jüngste von

Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 1 (1892 bis 1896). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1892–1896, Seite 139. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Erster_Band.pdf/146&oldid=- (Version vom 8.4.2024)