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1593“, gezeichnet von dem Herausgeber: „Martinus Fritzsch neben dem Churf. Sächsi. Capelmeister verordneter Musicus“". Auf der 14. Seite befindet sich das Portrait Luthers, von Seite 15–21 die bekannte Vorrede Luthers, darauf folgen Titelordnung und 24 Seiten Register, woran sich Bl. 1–352 die Gesänge mit den Melodien anschließen, beginnend mit „Nu komm der Heyden Heilandt“ und endigend mit: „Von meines Herzens Grunde“. Nur 2 Lieder (Bl. 308–10), „Lobet den Herrn“ und (Bl. 345-47) „O Lamb Gottes unschuldig“, sind vierstimmig gesetzt, die übrigen alle nur einstimmig gegeben. Auf dem letzten Blatt stehen nochmals Drucker und Druckort, sowie „In Vorlegung des Erbarn und Wolgeachten Bernhardt Schmidt, Bürger und Materialist inn Dreßden. Anno 1593“ (vgl. Wackernagel, Kirchenlied Nr. 1026). Exemplaren begegnen wir häufig, z. B. auf der Dresdner kgl. Bibliothek und in der Breßlauer Stadtbibliothek (vgl. Emil Bohn, Bibliographie Seite 199).

Der zweite Theil aber, von dem schon der Titel des ersten sprach, ist ungleich seltener und viel werthvoller, weil er die vierstimmigen Bearbeitungen Michaels enthält. Dibelius (a. a. O.) kennt ihn wohl nicht, da er glaubt, die Ausgabe von 1597 sei der 2. Theil derjenigen von 1593. Er führt den besonderen Titel:

Der Ander Theil: | der Gebreuchlichsten und vor – | nembsten Gesenge, D. Mart. Luth. | und anderer frommen Christen. || (Luthers Portrait) || Jtzo auffs newe mit fleis Componieret, | vnd den Choral durchaus in Discant | geführet, durch | Rogier Michael, dieser zeit, Churf. Sächsi. | verordneten Cappelmeister. | Cuni gratia et privilegio. |
Dreßden bey Gimel Bergen. || Anno M. D. XCIII. |

Der Band enthält auf 39 Blatt 32 deutsche Gesänge; die 4 Stimmen sind sich gegenüber gedruckt und auf der letzten Seite stehen Drucker, Druckort und folgende Notiz angegeben: „In Vorlegung des Namhafften Martini Fritzschen, Churf. Sächsi. Verordenten und bestallten Hoff Musici: auch von ihm selbst Gecorrigiret, angeordnet, unnd inn Druck vorfertiget.“

Dieser Band ist von der äußersten Seltenheit und es hat mir nur 2 Exemplare davon nachzuweisen gelingen wollen: das eine in Wittenberg, das andere in der Breslauer Stadtbibliothek (vgl. E. Bohn, a. a. O. Seite 200). Freilich bietet Michaels jahrelanges Werk nur kleine, unscheinbare Tonstücke, Kunstwerke in beschränktem Rahmen; aber die Neuerung, die Melodie durchweg in den Discant zu verlegen, war für Sachsen wenigstens ganz neu; sie war nur von Osiander in Württemberg schon versucht worden, während die ältere Zeit die Melodie nur im Tenor zu hören gewöhnt war, ein Verfahren, das uns ebenso überraschend erscheint, wie seiner Zeit die Hinüberlegung des Cantus firmus in den Discant. –

Zehn Jahre später veröffentlichte Michael die ergänzende Parallelarbeit zu dem Dresdner Gesangbuch, die 5 stimmigen Introiten, „uff alle Sonn- und Feiertage durchs ganze Jahr gerichtet.“ Es war wiederum ein Werk, wie es Sachsen bis dahin nicht kannte. Mit welchem Geschick sich Michael der schwierigen Aufgabe entledigte, können wir nicht mehr beurtheilen, da das Werk sich nur unvollständig in 2 gedruckten Stimmbüchern auf der Leipziger Stadtbibliothek erhalten hat. Ueberhaupt haben sich ja die Kompositionen Michaels sehr selten gemacht. Außer einigen Gelegenheitsstücken (in Grimma und Regensburg) entdeckte ich im hiesigen Königl. Hauptstaatsarchiv noch drei ganz unbekannte, geschriebene Hochzeitslieder für die Vermählungen des Kurfürsten Johann Georg mit Elisabeth und Magdalena Sibylla zu 8 und 12 Stimmen in 2 Chören. Das berühmteste Werk von ihm war aber unzweifelhaft sein sechsstimmiges Tedeum von 1595, das, von seiner eigenen Hand geschrieben, in der Freiberger Gymnasialbibliothek liegt und von mir der Vergessenheit entrissen wurde. Es ist noch nicht gedruckt und lohnte wohl einer kundigen Veröffentlichung.

Die letzten Jahre Michaels hüllen sich wieder recht in Dunkel. Schon 1613 wurde zum Ersatz der herzoglich Braunschweigische Kapellmeister Michael Praetorius herbeigerufen, und zur Kindtaufe des Herzogs August 1614 wartet ein neuer Leiter auf: er hieß Heinrich Schütz. Um 1619 ist Rogier Michael gestorben.

Sein Gesangbuch blieb das Muster für die nächstfolgende Zeit; das Dresdner Gesangbuch von 1656 ist noch ganz nach dem Vorbilde des ersten zusammengestellt, nur daß es statt ungefähr 200 Lieder deren 684, also dreimal soviel, enthält. Auch dieses erschien aber bei Gimel Bergen, dem rührigen Musikverleger und Drucker Dresdens, dem eine Monographie wohl einmal zu wünschen wäre.

Noch verdient hier hinzugefügt zu werden, daß von diesem ersten Dresdner lutherischen Gesangbuch von 1593 eine zweite Ausgabe von 1597 sich auf der hiesigen Stadtbibliothek (Dresd. var. 61) befindet. Der Band stammt aus der Sammlung des verstorbenen Commissionsrathes Klemm, der ihn aus dem Nachlaß des Professor Ritter in Magdeburg erwarb. Vorn sind 8 Blätter handschriftlich ergänzt. Der Titel des ersten Theiles (vgl. Wackernagel Seite 613, Nr. 352) weicht in mehreren Stücken ab und enthält besonders die Worte nicht mehr: „allesampt mit den Noten und ihren rechten Melodeyen“. Auch hat den Verlag Gimel Bergen selbst übernommen; eine Dedikation fehlt. Blattzahl (352 Bl. und 7 Regist.) wie innere Einrichtung sind die gleichen geblieben. – Ganz anders aber hat sich der zweite Theil

Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 1 (1892 bis 1896). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1892–1896, Seite 146. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Erster_Band.pdf/157&oldid=- (Version vom 21.4.2024)