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gestaltet: „Ander Theil, Ein schön auserlesenes New Gesangbuch darinnen 130. Christliche Gesenge ... Dreßden. Gedruckt im Jar 1597“ (153 Bl. und 5 Bl. Regist.). Die Melodien sind alle einstimmig vorgedruckt: das ist nun zwar ein zweiter Theil des Dresdner Gesangbuchs, aber nicht mehr Michaels Werk.


Ursprung der Sachsenhymne.

Eine Anfrage des Liederforschers Prof. F. M. Böhme, der mit der Herausgabe einer kritischen Sammlung volksthümlicher Lieder beschäftigt ist, gab mir Veranlassung, der Herkunft der Sachsenhynne „Den König segne Gott“ nachzuforschen, die in den landläufigen Schul-Liederheften fälschlich Aug. Mahlmann, dem Dichter des Liedes „Gott segne Sachsenland“, zugeschrieben wird.

Es ist bekannt, daß das Sachsenlied ebenso wie die Preußenhymne „Heil dir im Siegerkranz“ seine Melodie dem alten englischen Volksliede God save the King entlehnt hat, während der Text beider nicht als dessen Uebersetzung, sondern nur als freie Nachdichtung gelten kann. Oeffentlich gesungen wurde das Sachsenlied zum ersten Male bei den Festlichkeiten, die man anläßlich der Rückkehr des Königs Friedrich August aus der Gefangenschaft im Juni 1815 in Dresden veranstaltete, und es findet sich in dem heute gebräuchlichen Wortlaute zuerst in der noch in demselben Monat erschienenen Schrift abgedruckt: „Des Königs Friedrich August des Gerechten Heimkehr und Empfang am 7. Juni 1815“ (S. 116).

Nach dem Berichte dieser Schrift (S. 9) fand am 5. Juni auf dem Kosel’schen Garten an der Elbe Konzert und Illumination statt. „Beim frohen Mahle wurden die Gläser unter Kanonenschlägen auf die Gesundheit des Königs und der ganzen Königlichen Familie geleert. Das schöne Sachsenlied: Den König segne Gott, den er zum Heil uns gab etc. ward darauf zur Bestätigung der gethanen frommen Wünsche auf die feierlichste Weise gesungen.“

Am 6. Juni abends hielt eine Gesellschaft ein Festmahl auf dem Lincke’schen Bade, bei dem nach dem Trinkspruche auf den König gleichfalls das Sachsenlied erklang. Ebenso sangen es am Abend des 7. Juni die Leipziger Studenten bei dem Fackelzuge, den sie dem König auf dem Schloßplatze darbrachten. Am Morgen desselben Tages hatte der Pfarrer von Leubnitz einzelne Zeilen des Liedes in seine Begrüßungsrede eingeflochten. Alles dies deutet darauf hin, daß das Lied schon eine ziemliche Verbreitung gefunden hatte. Allgemein bekannt war es aber sicher noch nicht, sonst könnte der damalige „Dresdner Anzeiger“ in seinem Berichte über den Fackelzug nicht so unbestimmt von „einem nach der Weise des bekannten brittischen Volksliedes von den Studenten intonirten Gesange“ sprechen.

Woher nun aber stammte das Lied? Diese Frage beantwortet J. Chr. Hasche, indem er in seiner Geschichte Dresdens Theil 5 Abth. 2 (Dresden 1822) S. 142 zu dem Berichte über die Festlichkeiten vom Juni 1815 folgende Anmerkung macht: „Das englische Volkslied God save the King (den König segne Gott) war dem deutschen Texte nach schon in Dresden bekannt, wenigstens bei den fliegenden Kapellen in den Trinkstuben, wo es der Harfenist Mecherlein spielte und sang, aber das Publikum nahm wenig Antheil daran. Der Kommerzien-Assistenzrath Richter, ein junges, zu früh verblühtes Genie, hatte uns eine deutsche Uebersetzung davon geliefert. 1813 aber ward es Musikfreunden angenehm. Vorher schon ließ Graf Marcolini die Musik bei Hilscher in Zinn stechen und sorgte für deren Verbreitung.“

Als Hasche dies schrieb, waren seit der ersten öffentlichen Aufführung des Liedes kaum sieben Jahre vergangen. Als Chronist, der seit Jahrzehnten den öffentlichen Vorgängen mit Aufmerksamkeit folgte, konnte er nach so kurzer Zeit kaum einen Irrthum begehen. Man darf daher seinen Angaben gewiß Glauben schenken, wenn er auch in nicht ganz zutreffender Weise von einer „Uebersetzung“ des englischen Volksliedes spricht.

Der von Hasche genannte Dichter Georg Karl Alexander Richter war als Sohn des in Dresden-Neustadt wohnhaften Kaufmanns Georg Abraham Richter, der sich als Rathsherr durch die Errichtung des städtischen Leihhauses verdient gemacht hat, am 12.  Januar 1760 geboren, auf der Kreuzschule und den Universitäten Leipzig und Wittenberg gebildet, sodann Privatsekretär des Staatsministers Grafen von Löben gewesen, zuletzt als Assessor in der Landes-Oekonomie- und Kommerziendeputation mit dem Titel eines Hofraths angestellt und bei einer Reise nach Wien vom Kaiser geadelt worden. Er starb in Dresden am 2. April 1806. Eine Auswahl seiner Gedichte, mit Lebensnachrichten und seinem Bildniß, gab im Jahre 1807 sein Freund Theodor Hell (Winkler) heraus. Die Sachsenhymne ist darin nicht mit enthalten, aber Hell würde, wenn Hasches spätere Angabe über deren Verfasserschaft auf Irrthum beruht hätte, diesen in seiner „Abendzeitung“ sicherlich berichtigt haben. Allerdings ist erst nach Richters Tode, am 20. Dezember 1806, Sachsen zum Königreich ausgerufen worden. Man muß daher annehmen, daß sein Lied ursprünglich nicht vom König, sondern wahrscheinlich vom „Fürsten“ gesprochen, also „Den Fürsten segne Gott“ oder ähnlich

Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 1 (1892 bis 1896). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1892–1896, Seite 147. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Erster_Band.pdf/158&oldid=- (Version vom 21.4.2024)