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Gesellschaft Vorstellungen auf dem Linkeschen Bade. Nachfolger Bondinis waren seit 1789 die Brüder Franz und Josef Seconda, von denen hier jener im Winter, der andere im Sommer seine Thätigkeit entfaltete.

Bei der damaligen Bevölkerung Dresdens, etwa 60 000 Einwohnern, war aber noch Raum für kleinere, wenn schon sehr geringwerthige Bühnen. Der Schauspieler Kopp war durch den Bankerott des neben Bondini im Sommer spielenden Unternehmers Gatto beschäftigungslos geworden und errichtete nunmehr zu Michaeli 1780 in den „Drei Rosen“ vor dem Wilsdruffer Thor eine Bühne, deren Zuschauer während des Spiels Bier tranken und Tabak rauchten. Ihn löste der Komiker Raufer ab, ein Oesterreicher, dessen Glanzrolle Kasperle im „Doktor Faust“ war. Kasperle war aber in diesem „Faust“ die Hauptperson. – Von der Kopp-Rauferschen Truppe trennte sich 1781 wiederum ein Schauspieler und bildete eine dritte Bühne in der Friedrichstadt – selbstverständlich abermals eine Volksbühne.

Wenn neben diesen allerdings zum Theil sehr dürftigen Bühnen das Bedürfniß nach anderweiter Befriedigung theatralischer Genüsse bestand, so erklärt sich das unter anderem dadurch, daß damals bis zum Ausbruch der französischen Revolution die Bühne, man kann wohl sagen, im Mittelpunkte des öffentlichen Interesses stand. Die Haupt- und Staatsaktionen, die im ersten Drittel des 18. Jahrhunderts die Bühnen noch beherrschten und die trotz des Un- ja Widernatürlichen in der Verwickelung, den Charakteren und im sprachlichen Ausdruck mit Befriedigung genossen wurden, wenn nur neben den haarsträubendsten Unthaten der Hauptpersonen der Hanswurst das Ungeheuerlichste an Gemeinheiten leistete – diese Haupt- und Staatsaktionen hatten durch Gottsched in Leipzig den Todesstoß bekommen, als er in einem besonders für diesen Zweck geschriebenen Bühnenstück 1737 den Hanswurst hatte auf der Bühne verbrennen lassen. Was Gottsched jedoch als Muster dagegen vorhielt, die Tragödie und Komödie der Franzosen, war in Deutschland, namentlich bei den erbärmlichen Uebersetzungen und Nachahmungen, nicht lebensfähig, und seit man sich mit Lessings Ansehen decken konnte, wenn man sie langweilig fand, war auch dem französisch klassischen Theater das Todesurtheil gesprochen. Noch aber waren bis zum letzten Viertel des vergangenen Jahrhunderts die Bühnendichtungen, welche den von Lessing angedeuteten neuen Bahnen in seinem Geiste folgten, sehr vereinzelt. Deutschland blickte sehnsüchtig harrend auf sie, die sich als bedeutende Bühnenschöpfer angekündigt hatten, allein keiner erwies sich auch nur annähernd so fruchtbar wie etwa Vega, Calderon, Goldoni, ja auch nur wie die Häupter der französischen Bühnendichtung. Die bedeutenden Dichter ernster Schauspiele - Lessing, Goethe, Leisewitz – entzogen sich fortwirkender dramatischer Thätigkeit. Und noch dazu: wie verschiedenartig, ja einander entgegengesetzt hatten sich diese Führer kundgegeben! Alles war in Gährung, und die Gährung riß alle Welt in ihre Bewegung hinein. Der Drang, sich daran zu bethätigen, äußerte sich denn auch in Bildung von Liebhaberbühnen. Dennoch dieser Drang nicht allein; die Liebhaberbühnen sind auch technisch als ein Bedürfniß ihrer Zeit zu betrachten.

Gewiß gab es damals hervorragende Schauspieler, deren Namen, trotzdem daß dem Mimen die Nachwelt keine Kränze flicht, noch heute über ein Jahrhundert hinaus mit Ehren genannt werden; auch in Dresden wirkten gegen Ende des vorigen Jahrhunderts vortreffliche Künstler, wie Brandes, Opitz, Reinecke, Fleck, Christ, Bösenberg, Ochsenheimer, und die Schauspielerinnen Brandes, Reinecke, Bösenberg, Henisch, Spengler, Albrecht. Diese heute noch nicht vergessenen Künstler waren Leute, an die des Geistes unwiderstehlicher Ruf ergangen war, die Schöpfungen der Bühnendichtung zu vollem Leben zu gestalten. Neben ihnen standen jedoch die zu geringeren Rollen verwendeten Schauspieler auf unendlich viel tieferer Stufe, was insbesondere auch aus den Anekdoten zu schließen ist, die der Gothaische Theaterkalender alljährlich über greuliche Albernheiten solcher Leute zu berichten wußte. Ohne des Geistes ernsten Ruf konnte sich freilich auch damals schwerlich ein halbwegs fähiger Mensch veranlaßt fühlen, den Schauspielerberuf zu ergreifen, da dessen Loos fast durchgängig ein trauriges war. Ein Schauspieler mußte gewärtig sein, zeitlebens ein ruheloser Wanderer zu bleiben, nie ein befriedigendes Heim gründen zu können, und das noch dazu bei jammervoller Bezahlung – wenn diese überhaupt erfolgte. Der große Schröder erhielt, als ihm schon ein glänzender Ruf zur Seite stand, ausnahmsweise ein Wochenlohn von 5 Thalern. Wenn nun unter geringer Befähigung und mangelhafter Ausbildung der mit Nebenrollen betrauten Schauspieler die Gesammtheit der Darstellungen litt, so mußte es für Freunde der Bühnenkunst verlockend sein, sich das Vergnügen einer Vorstellung zu verschaffen, die zwar künstlerischer Größen entbehrte, aber auch nicht durch Eingreifen beschränkter Köpfe gestört wurde, und so ist es auch aus diesem Grunde verständlich, daß allenthalben Liebhaberbühnen entstanden, die Anspruch auf öffentliche Beachtung machten; der Gothaische Theaterkalender verzeichnet im letzten Viertel des verwichenen Jahrhunderts mehr als dreißig Städte Deutschlands und Oesterreichs – in Sachsen außer Dresden noch Bautzen und Schneeberg – in denen sich Liebhaberbühnen aufgethan hatten, unzweifelhaft war es aber in einer beträchtlich größeren Zahl von Orten geschehen. Es betheiligten sich dabei alle Kreise der

Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 1 (1892 bis 1896). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1892–1896, Seite 188. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Erster_Band.pdf/199&oldid=- (Version vom 24.4.2024)