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Bevölkerung, von den Handwerkern an bis zu den Fürsten, wie z. B. in Weimar der junge Herzog Karl August selbst auftrat. Goethe bezeichnet in seinem Entwurf einer Schrift über „Dilettantismus in den Künsten“ ausdrücklich die Vermischung aller Stände als Eigenthümlichkeit deutscher Liebhaberbühnen. Und diese Aufführungen an Höfen waren etwas Planmäßiges, Nachhaltiges; sie unterschieden sich dadurch wesentlich von einzelnen Aufführungen, wie sie noch in neuester Zeit auch an unserem Königshofe stattfanden. Auch die heutigen gesellschaftlichen Vereine, in denen Theater gespielt wird, sind etwas ganz anderes als vor hundert Jahren: jetzt ist das Theaterspiel mur ein geselliges Vergnügen neben Konzert und Tanz.

Indessen soll nicht behauptet werden, daß die vormalige Errichtung von Liebhaberbühnen überall und allein als aus einem gewissen Bedürfniß hervorgegangen anzusehen sei, man ist hin und wieder versucht, sie als entsprossen aus dem Gegentheil dessen zu erachten, was in der Regel Bühnen ins Leben ruft. Bühnen wurden zweifellos der Zuschauer wegen gegründet, aber, unbefangen betrachtet, sind es hauptsächlich die Spieler, derenwegen sich Liebhaberbühnen schon früher zusammenthaten. Diesen Verdacht bestätigt zunächst die Thatsache, daß die Stifter von Liebhaberbühnen es für nöthig finden, ihr Vorgehen zu entschuldigen und zu rechtfertigen, und zwar damit, daß durch die Aufführung den Mitwirkenden nicht nur ein unschuldiges Vergnügen, sondern auch ein namhafter Gewinn für ihre Ausbildung erwachse. Diese Vortheile bespricht auch Goethe in dem schon erwähnten Entwurf über den Dilettantismus in Künsten, aber zugleich – was die Liebhaberbühnenfreunde zu verschweigen pflegen – die Nachtheile; geradezu erklärt er, daß Dilettantismus in der Schauspielkunst den größten Schaden anrichte. Ueber die Vortheile des Bühnenspiels äußert sich auch ohne alle Rücksicht auf einen Genuß für die Zuschauer, der eigentlich die Hauptsache sein sollte, ein Prolog, der 1778 in der Dresdner freundschaftlichen Bühne gesprochen wurde, mit rührender Offenheit:

Doch ist es freilich ein andres Ding,
Wenn sich ein Anfänger, jung und flink,
An Werke, zu groß für sein Köpfchen, wagt.
Da werden Euch leicht aus Giganten Zwerge,
Da schlüpft Euch aus dem kreisenden Berge,
Vor welchem die Nachbarschaft ringsherum zagt,
Im Hui eine Maus
mit Piepsen heraus.

Und weiterhin:

Sei’s wie’s da wolle! Unser Dank
Soll mindestens Euch für die Nachsicht lohnen,
Mit der Ihr oft drei Stunden lang
Trotz Wind und Wetter, Hitze, Sturm und Drang
Uns anzuhören erschienet.

Vom Vergnügen der Zuschauer ist also keine Rede. Aber da sind wir unvermuthet schon inmitten des Liebhabertheaters, von dessen Entstehung Sie doch noch nichts vernommen haben. Mit dieser hat es also folgende Bewandtniß.

Im Jahre 1776 traten hier einige Kunstfreunde zu einem Vereine zusammen, der sich Societätstheater nannte und Aufführung von Schauspielen jeder Gattung sich zum Zwecke setzte. Er scheint zuerst nur aus Personen, die bei den Aufführungen thätig waren und vor Eingeladenen spielten, bestanden zu haben. Ihre Bühne befand sich in einem Gartensaale vor dem Falkenschlage (jetzt Falkenstraße Nr. 2); der Zuschauerraum enthielt nur fünfzig Plätze. Am 19. Mai erfolgte die Eröffnung nach einem Prolog mit dem fünfaktigen Lustspiel „Die abgedankten Offiziere“ von Stephanie d. Ä. und dem einaktigen „Das Duell oder das junge Ehepaar“ von Jester. Nach fünf weiteren Aufführungen in diesem Saale wurde am 2. Februar 1777 schon zum letzten Male daselbst gespielt und mit der nächsten Vorstellung am 2. März desselben Jahres eine neue Bühne in der Borngasse (jetzt Carusstraße Nr. 4) eingeweiht. Sie war in einem zwei Stock hohen Gartensaale, dem Hofbuchhändler Walther gehörig, errichtet und faßte 170 Zuschauer. Jetzt bestand die Gesellschaft einschließlich etwa zwanzig spielender Mitglieder aus dreißig im Ganzen. Durch den Tod des Besitzers wurde aber das Societätstheater seiner neuen Stätte bald wieder beraubt; am 23.  März 1778 fand die letzte Vorstellung darin statt und während dieses ganzen Jahres und bis gegen Ende des folgenden mußte der Verein feiern. Erst dann war es gelungen, wieder eine geeignete Räumlichkeit zu ermitteln und herzurichten, und zwar in der Allee, jetzigen Hauptstraße der Neustadt, woselbst der ursprünglich zu Abhaltung von Maskeraden erbaute Saal in einem Hintergebäude der jetzigen Nr. 19 – dermalen Buchdruckerei von Albert Hille – sich als weit günstiger, als die früheren Räumlichkeiten erwies. Er enthielt ein Amphitheater, das nebst dem Parterre 250 Zuschauer aufzunehmen vermochte. Den Vorhang der Bühne entwarf Professor Schenau; gemalt wurde er von dem 1747 in Dresden geborenen, unter Hutin ausgebildeten Landschafts-, Geschichts- und Theatermaler Johann Ludwig Giesel, der schon für die beiden ersten Bühnen Vorhänge gemalt hatte. Schenau’s Entwurf enthielt mehrere mythologische Figuren. Ein weiterer Schmuck der Bühne waren vier Büsten dramatischer Dichter im Proscenium, und zwar: Shakespeare, Molière, Lessing und – den vierten wird Niemand errathen – Gotter. Von Goethe wußten also die damaligen Dresdner Kunstfreunde nichts, obwohl er bereits einige Jahre zuvor den von ganz Deutschland mit Begeisterung aufgenommenen „Götz

Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 1 (1892 bis 1896). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1892–1896, Seite 189. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Erster_Band.pdf/200&oldid=- (Version vom 24.4.2024)