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von Berlichingen“, sowie kurz darauf „Clavigo“ und „Stella“ geschrieben hatte. Und diese Bevorzugung Gotters war um so unverantwortlicher, als er zwar die Bühne mit mehreren Stücken versorgt hatte, die aber fast durchgängig Uebersetzungen oder Bearbeitungen französischer, englischer und italienischer Autoren waren. – Auf dieser so geschmückten Bühne nun wurde am 7. Dezember 1779 zum ersten Male, und zwar das Lustspiel in fünf Aufzügen „Henriette oder Sie ist schon verheirathet“ von Großmann gespielt. Diese Bühne behielt das Societätstheater bis zu seiner Auflösung, also über vierzig Jahre, bei. Einer der letzten Vorstellungen darin hat noch ein dermaliges Mitglied des Dresdner Geschichtsvereins, Herr Generalmajor von Schultz, beigewohnt.

Die Mitglieder des Societätstheaters gehörten allen Ständen an, soweit sie auf Bildung Anspruch machen konnten. Protektor und fleißiger Besucher war der kursächsische Prinz Karl, Herzog von Kurland. Auch einige der hier beglaubigten Gesandten betheiligten sich, aber auch untergeordnete Beamte. Die Zahl der Mitglieder wurde zuletzt satzungsmäßig auf fünfzig festgestellt, davon waren 1793 zwölf Herren und acht Damen ausübende Mitglieder; 1797 wird die Zahl der Spielenden auf sechsundzwanzig überhaupt angegeben. Die Eigenschaft eines freundschaftlichen Vereins, wie sich dieser auch nannte, tritt u. A. dadurch hervor, daß festliche Tage einzelner Mitglieder – wie Verlobungen, Hochzeiten, Genesungen, Abschiede – durch Gedichte und Festspiele von ihm gefeiert wurden.

Vorstellungen fanden nur im Winterhalbjahre – erweitert zu sieben bis acht Monaten – statt, in der Regel sechs bis acht.

Die ausübenden Mitglieder des Societätstheaters betrachteten dieses auch als Vorschule für öffentliche Bühnen; namentlich gingen im Februar 1781 zwei Schwestern Weinhold als Kammersängerinnen zur Kapelle des Fürsten Carolath von hier ab, ingleichen 1786 die seit neun Jahren beim Societätstheater thätige Hartmann angeblich nach Frankfurt a. M. zur Großmannschen Gesellschaft, bei der ich sie jedoch nicht genannt finde; vielleicht hatte sie einen Theaternamen angenommen. Ueber die künstlerischen Leistungen der Mitglieder des Societätstheaters fehlen uns, der Natur ihres Verhältnisses nach, regelmäßige Berichte, doch sind uns ein Paar durch Korrespondenten des „Theaterjournals für Deutschland“ aufbewahrt. Ein in Dresden verweilender Fremder schreibt am 5. April 1780, daß das Spiel des Mitgliedes Lerch, von dem wir nachher noch zu hören bekommen, „so ganz das natürliche, treffende, hinreißende“ sei. Von einer Schauspielerin urtheilt er: „Demoiselle Dober zeigte sich als eine treffliche Liebhaberin; ihr Gesicht, ihr ganzer Bau ist herrlich.“ Die eben erwähnte Hartmann ist bezeichnet als „ein munteres, wohlgebautes Mädchen mit einer sehr vortheilhaften Gesichtsbildung“, die „mit Naivität spielt“. Ferner bemerkt der Berichterstatter: „Die Gesellschaft ist zahlreich und hat noch außer den genannten sehr brauchbare Mitglieder. Viel Große der Stadt sind dabei.“ – Anscheinend war es ein anderer Korrespondent, der am 8. Dezember 1781 nach der Vorstellung des „Julius von Tarent“ mit einem für Dresden nicht schmeichelhaften Eingang schrieb: „Ich ward sehr überrascht, als ich hier, wo sonst deutsche Literatur und wahrer Geschmack immer noch weit zurückgeblieben sind, eines der besten Privattheater mit den passendsten Dekorationen und Maschinerien, mit einem allegorischen, von Schenau erfundenen Vorhang, kurz, versehen mit allen äußerlichen Erfordernissen antraf.“ Sodann weiterhin: „Schon das Stück, das gespielt wurde, gehörte unter die Seltenheiten Dresdens; denn es war ‚Julius von Tarent‘, das auf dem kurfürstlichen Theater verboten war. Hier machte ein Frauenzimmer von katholischer Religion die Rolle der Blanca, und dies so äußerst schwere Stück ward, im ganzen genommen, aufs beste dargestellt. Vorzüglich vor allen anderen aber war die Rolle des Guido durch einen Herrn Dr. Behling besetzt, in dem so viele Theatertalente – Anstand, Sprache, Kenntniß der Gesten und Deklamationen – sich vereinigten, daß man ihn, wenn er auf dem Theater erschiene, unter die ersten Kräfte Deutschlands rechnen würde. Er verbindet, wie man mir sagte, mit diesen Gaben auch die Gabe, andere zu unterrichten; denn man versicherte, daß ein ansehnlicher Theil dessen, was den übrigen gelang, durch seinen Unterricht ihnen gelänge.“

Eine andere, dem Societätstheater durch Fremde erwiesene Aufmerksamkeit war eine Zeichnung, die der durch seine Schnelligkeit im Skizziren berühmte hannoversche Hofmaler Ramberg 1791 von einer Scene des Lustspiels „Siegfried von Lindenberg“, von Ph. L. Bunsen[1] fertigte. Sie zeigt den vom Buchhändler Dr. Richter vorgestellten Titelhelden und den Kanzlist Zschiedrich als Schwalbe, beide mit entschieden sprechendem Ausdruck. Das Blatt wurde in Kupfer gestochen und kolorirt; ein Exemplar befindet sich in der Stadtbibliothek. Richter besaß neben seiner Buchhandlung das Privileg der „Dresdner Frage- und Anzeigeblätter“, jetzt „Dresdner Anzeiger“. Er war ein Schwindler schlimmster Art und starb zu Anfang dieses Jahrhunderts in Wechselhaft zu Leipzig. Seine Buchhandlung wurde Grundlage zu der Arnoldschen Buchhandlung.

Der neben Richter in „Siegfried von Lindenberg“ auftretende Zschiedrich gehörte mit dem Registrator


  1. Gefällige Mittheilung des Herrn Prof. Dr. E. Goetze.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 1 (1892 bis 1896). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1892–1896, Seite 190. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Erster_Band.pdf/201&oldid=- (Version vom 24.4.2024)