Seite:Dresdner Geschichtsblätter Erster Band.pdf/202

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.

Meißner und dem Hoffuttermarschall Lerch zu den treibenden Kräften des Societätstheaters.

August Gottlieb Meißner war am 7. November 1753 in Bautzen geboren. Er studirte von 1773 bis 1776 in Leipzig und Wittenberg die Rechte und machte in Leipzig Bekanntschaft mit dem nachmaligen Berliner Professor Engel, der sich durch Schauspiele und Romane, sowie durch philosophische, besonders ästhetische Schriften einen Namen gemacht hat. Dessen Bühnenliebhaberei theilte sich Meißnern mit, der dann schon damals in jugendlichstem Alter das Buch französischer Operetten für die Seylersche Schauspielergesellschaft bearbeitete. Nach beendigten Studien kam er nach Dresden und erhielt Anstellung als Kanzlist beim Konsistorium, später wurde er zum Geheimen Archivsregistrator befördert. Meißner entwickelte sich zu einem sehr fruchtbaren und beliebten Schriftsteller, namentlich entzückten alle Welt seine „Skizzen“, die in 14 Sammlungen erschienen und Erzählungen in lebendiger Darstellung enthielten. Seine Richtung war die des damaligen sogenannten Aufklärichts; flach wie dieser waren auch seine schriftstellerischen Erzeugnisse. Das zeigt sich auch darin, daß er sich nicht die Mühe nahm, oder nicht die Fähigkeit besaß, eine Dichtung als Roman oder aber als Schauspiel rein durchzuführen, sondern beide Dichtgattungen nach Bequemlichkeit durcheinander mischte. Als Erzählungen angelegt, enthalten sie doch große Stücke in förmlich dramatischen Scenen; seine „Bianca Cappello“ nannte er geradezu einen dramatischen Roman; gleicherweise ist „Alcibiades“ gehalten, der demungeachtet allgemein höchsten Beifall fand. Lustspiele sind vier von ihm gedruckt, zum Theil nach französischen bearbeitet. Das 1777 im Societätstheater aufgeführte Lustspiel „Der Finanzpächter“, nach Saintfoix, das in Dyks „Komischem Theater der Franzosen“ gedruckt ist, ist in Goedekes „Grundriß zur Geschichte deutscher Dichtung“ unter Meißners Schriften nicht verzeichnet. Von ihm sind auch der Prolog zu Eröffnung des Societätstheaters und andere verfaßt. Im Jahre 1785 verließ er Dresden, einem Rufe als Professor der Aesthetik nach Prag folgend; 1805 ging er als fürstlich nassauischer Konsistorialrath und Direktor der hohen Lehranstalten nach Fulda. Er starb am 20. Februar 1807. (Geburts- und Todestag sind vielfach falsch angegeben.) Unser Meißner war Großvater des traurig endenden Dichters Alfred Meißner. Neuerlich ist eine sehr ausführliche Monographie über Meißner von Rudolf Fürst erschienen.

Das zweite schöpferisch thätige Mitglied des Societätstheaters, Karl August Zschiedrich, 1754 geboren, war ein selbstgemachter Mann. Sein Vater war Kupferschmied und er mußte widerwillen dessen Handwerk erlernen. Später machte er sich aber frei, ging als Schreiber zu einem Rechtsanwalt und erlernte nebenbei Französisch und Italienisch so, daß er Ausländern Unterricht im Deutschen geben konnte. Er machte sich schriftstellerisch als Liederdichter und als Uebersetzer italienischer Opern bekannt, worunter auch „Don Juan“ für die 1795 bei Hilscher hier erschienenen Ausgabe der Mozartschen Oper. Er wurde nachmals Kanzlist bei der Landesregierung, auch Kassirer der ökonomischen Societät und starb am 1. Oktober 1799. Er war der allezeit bereite Vereinsdichter, der nach Meißners Abgang Prologe oder Epiloge, auch sonst noch Festspiele lieferte. Seine Dichtungen erheben sich nicht zu verwegenem Schwung; die Reime „Herz“, „Schmerz“, „Scherz“ und andere leicht erlangbare kehren oft wieder, von der Freude und der Unschuld der Vereinsgenossen ist häufig die Rede; indessen scheinen sie ihrem Zweck, wenn sie bei der jeden Winter stattfindenden Wohlthätigkeitsvorstellung zu reichlichen Gaben aufforderten, nach Wunsch entsprochen zu haben. In den Theaterreden wandte Zschiedrich nach Meißners Vorgang zu Erzielung einer gewissen Wirkung wiederholt den Kunstgriff an, den Sprechenden eine Pause machen zu lassen, während deren angenommen wurde, daß die Zuschauer eine Zusage ertheilt hätten. Beispielsweise schließt im Frühjahr 1785 ein Epilog nach der letzten Vorstellung dieses Winterhalbjahres so:

Das Blumenband, das uns vereinte,
Wird blühender, wenn Ihr uns ferner schätzt;
Und dieses Spiel, das Euch und uns ergötzt,
Wird einst, wenn minder heiß die Sonne brennet
Und unser Tagewerk uns Ruhe gönnet,
Im Herbstmond rüstig fortgesetzt.
Und Ihr, Ihr liebt uns dann auch noch wie jetzt?
(Pause.)
Gut! Ihr versprecht’s – der Vorhang falle, der uns trennet.

Doch läßt sich nicht verkennen, daß Zschiedrich, wenn es nicht bloß einer jährlich zu erneuernden Leistenarbeit galt, die Gabe gewandter Behandlung gut verwerthete. So war es der Fall in dem Prolog, der am 15. Oktober 1784 das Lustspiel „Welch’ ein Spaß!“ – eine Bearbeitung des Französischen „Jeu de l’amour et du hazard“ von Marivaux – einleitete. Die Sprecherin, die bekannte Soubrette des Societätstheaters, tritt in der Kleidung ihrer Rolle als Kammerzofe wie vom Laufen erschöpft auf und spricht:

Das heißt gelaufen, daß ich nun kaum wieder
Zum Athemschöpfen kommen kann!
Da hätt’ ich nun so gern die Abendlieder
Der Vögelchen behorcht und dann
Ein Weilchen nach dem Mondemann
Vom Fenster aus lorgnirt und so fortan
Im Kreis der Schwesterchen und Brüder
Den Abend plaudernd hingescherzt; allein
Bald resolvirt’ ich anders wieder.

Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 1 (1892 bis 1896). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1892–1896, Seite 191. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Erster_Band.pdf/202&oldid=- (Version vom 24.4.2024)