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Die Lüftlein wehten kühl, die Vögel schwiegen,
Der liebe Mond kroch in ein Wölkchen ein,
Und den gestalten Dingen mag ich kein Vergnügen
Im Feld, im Garten oder Hain
Mir in die freie Seele lügen.
Mit einem Wort: hier ist es besser sein.
(Sie wird die Zuschauer gewahr.)
Ei! auch so viele schöne Herr’n und Damen
Versammelt schon des Herbstes Kühle hier?
Willkommen, tausendmal willkommen sind Sie mir!

Hierauf verbreitet sich die Prologsprecherin über das Verhältniß der Darstellenden zu den Zuschauern und schließt, an der Coulisse horchend, mit Anspielung auf die abgelaufene fünfmonatliche Spielpause nach dem vorigen Winterhalbjahr:

Pst! Still! Mein Fräulein ruft. Nun mag ich rennen
So schnell ich kann! Zum Glück für mich soll holden Glanz
Ihr nur die Abendtoilette leihen,
Und dies erleichtert Kammermädchenpflicht.
Fünf Monden ihr entwöhnt, lern’ ich sie so von neuem.
Adieu! Das Wiedersehn wird Henrietten freuen.
(Wendet sich zum Abgehen, kehrt aber wieder um):
Ihr zürnt doch dann auch ihrem Plaudern nicht?
(Ab.)

Außer Theaterreden schrieb Zschiedrich noch sogenannte Divertissements, Festspiele, die aus Solo- und Chorgesängen und Ballet bestanden. Zu deren einem lieferte Kapellmeister Naumann die Musik, zu einem zweiten am Namenstage des Kurfürsten, dem 5. März 1784 aufgeführten, Kapellmeister Schuster. Es dürfte Ihnen keinen Genuß gewähren, die Verse dieser Divertissements anzuhören; der Dichter selbst scheint geringeren Werth auf sie, als auf Gesang und Tanz gelegt zu haben.

Der dritte vorzugsweise thätige Vereinsgenosse, Heinrich Erdmann Lerch, war erst Offizier und stand in Torgau, nahm als Premierlieutenant seinen Abschied, und erhielt 1772 die Stelle des Hoffuttermarschalls, des Vorstandes einer Behörde, die dem geheimen Finanzkollegium unterstellt war. Aus der vorhin angeführten Correspondenz im „Theaterjournal für Deutschland“ von 1780 erfuhren wir schon, daß Lerch durch sein Spiel sich auszeichnete, aber mehr als Andere leistete er als Uebersetzer und Dichter von Bühnenstücken. Uebersetzt hat er 1778 den Lustspieleinakter „Le mari retrouvé“ von Dancourt; eigener Erfindung scheinen zu sein die Lustspiele „Die Kutsche“ in zwei Aufzügen vom Jahre 1795, und „Das gelöste Räthsel“ in einem Aufzuge von 1798. Ueberdies wurden von ihm im Societätstheater vorgestellt die Festspiele: „Nun ist uns allen geholfen“ am 10. Mai 1784 zur Feier der Genesung des gefährlich erkrankt gewesenen Kurfürsten sowie zugleich des auf diesen Tag fallenden Geburtstages der Kurfürstin; am 19. August 1787 das dreiaktige dramatische Sprüchwort „Wer’s Glück hat, führt die Braut heim“ mit Naumanns Musik, bei Verheirathung zweier Vereinsgenossen; am 15. April 1788 zur Feier der Genesung des Herzogs von Kurland die ländliche Familienscene „Die glückliche Prophezeiung“. Ueber Lerchs Ritterspiel „Lothegar und Irmengild“, das unter Mitwirkung von sechzig Personen am 26. September 1791 auf einem Weinberg aufgeführt wurde, kann nichts Näheres angegeben werden. Lerch scheint keins seiner Stücke veröffentlicht zu haben, und wenn er dennoch im Gothaischen Theaterkalender ins Verzeichniß der für die Bühne thätigen Schriftsteller aufgenommen ist, so dürfte dies auf Grund der ebenda nur erwähnten Arbeiten für das Societätstheater geschehen sein, wie ja auch noch andere Bühnendichter wegen ungedruckter Werke darin genannt sind. Indessen ist uns wenigstens der Auszug seines Festspiels „Nun ist uns allen geholfen“ erhalten, den ich mittheilen will, wiewohl der Beifall, den das Stück gefunden zu haben scheint, daraus nicht verständlich wird. Ein alter braver Dorfrichter ist durch Ueberschwemmung und Eisfahrt in Unglück gerathen; er sitzt mit seiner Frau in zerstörter Hütte wehklagend, nur dem Himmel und dem Landesherrn voll Hoffnung vertrauend. Das alte Ehepaar glaubt überdies den Verlust der erwachsenen Tochter zu beklagen zu haben, nachdem diese von ihrem Verlobten verlassen worden. Diese Befürchtungen sind jedoch ungegründet: die Tochter trifft mit ihrem Bräutigam ein; sie bringen den Eltern nöthige Lebensbedürfnisse. Der Förster und der Schulmeister des Ortes treten hinzu mit Nachricht von gefährlicher Erkrankung des geliebten Fürsten; ferner herbeikommende Bauern melden dem Richter die Ankunft einer landesfürstlichen Kommission, die zu Abschätzung und Abhilfe der durch die Wasserfluth entstandenen Schäden entsendet ist. Während der Alte sich entfernt, um die Kommission zu empfangen, stiften Förster und Schulmeister zwischen dem Brautpaar Uneinigkeit, die aber von dem sich einfindenden fürstlichen Kommissar wieder geschlichtet wird. Da nun auch ein Bote Kunde bringt von der Wiederherstellung des Landesvaters und zugleich von dessen Erlaß, wodurch die Lage des Richters eine erfreuliche wird, so setzt dieser sofort die Hochzeit seiner Tochter fest, ladet den Kommissar dazu ein und alles endet in Jubel. – Man mag die Erfindung schwach finden, aber mit solchen Festspielen ist es noch heutzutage ein übles Ding: trotz besten Willens meistens nur Gemachtes. Im Epilog zu dem Festspiele wurde der Geburtstag der Kurfürstin mehr betont; es hieß darin mit einem schönen Reim:

Und noch – – –
Können wir den festlichen
Maitag, der Amalien
Auf umglänztem Fittig heute
Niederschwebt, mit lautrer Freude

Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 1 (1892 bis 1896). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1892–1896, Seite 192. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Erster_Band.pdf/203&oldid=- (Version vom 24.4.2024)