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32 Stücken diesen Gesellschaften nachfolgte. Hiernach ist zwar das Streben unseres Vereins nicht zu verkennen, neben der öffentlichen Bühne Selbständigkeit zu offenbaren und deren Leistungen zu ergänzen, aber zum Grundsatz hat sich dieses Streben nicht erhoben. Oder hätte man vielleicht durch Aufführung der schon von den Hofschauspielern gegebenen Stücke an der geübteren Kunst jener sich ausbilden, oder gar mit ihnen wetteifern wollen? Diese Fragen getraue ich mir indessen nicht zu beantworten.

Freilich sehr hoch verstieg sich das Streben der Societätstheatergenossen nicht. Zwar hatten sie „Minna von Barnhelm“ in ihren Spielplan aufgenommen, auch Lessings älteren, langweilig lehrhaften „Freigeist“, aber von Goethe nichts, auch dann noch nicht, als von 1787 bis 1790 außer dessen schon genannten Trauer- und Schauspielen „Götz von Berlichingen“, „Clavigo“ und „Stella“ noch die weiteren Bühnenstücke „Die Mitschuldigen“, „Iphigenie“, „Die Geschwister“, „Der Triumph der Empfindsamkeit“, „Egmont“ und „Tasso“ – der Singspiele nicht zu gedenken – erschienen waren. Und für sie bot der übrige Schauspielvorrath der deutschen Literatur schlechterdings keinen Ersatz. Von den bis 1798 aufgeführten Stücken des Societätstheaters waren 23 aus dem Französischen, 9 aus dem Englischen und 5 aus dem Italienischen übertragen worden; es waren also zusammen 47 Stücke von Ausländern und daneben nur 66 von 30 verschiedenen deutschen Dichtern, die übrigen von Ungenannten. Dabei ist nicht ausgeschlossen, ja sogar wahrscheinlich, daß von den Stücken, die als von Deutschen verfaßt gelten, manche dennoch nach fremdsprachigen bearbeitet waren, ohne daß dies angegeben ist. Die meisten angeblich originalen Stücke, acht, lieferte Jünger, je fünf Schröder, Bretzner, Stephanie d. J. und Iffland. In der Folgezeit, d. h. von 1798 ab, sind unzweifelhaft Iffland und Kotzebue, der bis 1798 nur mit vier Stücken vertreten ist, am meisten ausgebeutet worden. Eine Abschrift des von mir zusammengestellten und literarisch ergänzten Repertoires des Societätstheaters werde ich zur Bequemlichkeit späterer theatergeschichtlicher Forscher ans Archiv unseres Vereins abgeben. Es wäre übrigens erfreulich, wenn der heutige Vortrag Anlaß böte, nach den Akten des Societätstheaters mit Erfolg zu forschen.

Da ich jetzt jedoch nicht in der Lage bin, nach 1798 fortlaufende Mittheilungen über das Societätstheater beizubringen, so erwähne ich nur noch, daß es am 19. Mai 1826 sein fünfzigjähriges Jubiläum feierte, wobei „Die silberne Hochzeit“ von Kotzebue zur Vorstellung gelangte und der Münzgraveur Krüger eine Denkmünze herstellte. Sie zeigt auf der Vorderseite drei neben einander stehende, mit Kränzen verbundene Rollen, die durch entsprechende Masken als Sinnbilder des Trauerspiels, Schauspiels und Lustspiels gekennzeichnet sind; über ihnen kreuzen sich zwei Tibien, an denen auf der einen Seite eine Panflöte, auf der andern Castagnetten hängen. Die Rückseite enthält die Inschrift: „Der Jubelfeier des Privattheaters zu Neustadt-Dresden nach fünfzig Jahren am 19. Mai 1826.“ Ein Exemplar der Münze findet sich im Stadtmuseum. Schon damals ging durch die Gesellschaft die Ahnung, daß ihr Bestand kein langer mehr sein würde; nach sechs Jahren löste sie sich auf und schied von den Räumen ihrer Thätigkeit am 19. Mai 1852 mit Darstellung des Schauspiels „Die Erinnerung“ von Iffland.

Doch völlig todt war sie noch nicht. Einige Mitglieder bildeten unter Heranziehung noch anderer Personen einen neuen Bühnenverein mit abgeänderten Satzungen. Aus diesem Umstande läßt sich schließen, daß es hauptsächlich die bisherige Zusammensetzung des Vereins war, welche die Unzufriedenheit eines Theils der Mitglieder hervorgerufen hatte. Der neue Verein bestand dann noch mehrere Jahre.

Ich habe schon eine zweite freundschaftliche Bühne gestreift, die bereits im vorigen Jahrhundert sich neben dem Societätstheater gebildet hatte, und zwar vom Ende 1787 ab wenigstens bis ins Frühjahr 1789 bestand. Im Eröffnungsprolog wird auf „die Kritiker und Mißgunst“ angespielt und ziemlich derb gesprochen:

Da noch dazu in unsrer jetz’gen Zeit
Haß, Neid, Verfolgung und Parteilichkeit
So stark in jedem Menschenkind regiert;

dagegen wird von der neuen Bühne gesagt: sie werde sein

Dem Zeitvertreib und leichtem Schmerz geweiht,
Von jedem dummen Vorurtheil befreit.

Da diese Verdächtigungen im allgemeinen schon durch das Bestehen des älteren Societätstheaters sich als widerlegt darstellen, so ist man versucht, sie als gegen dieses selbst gerichtet anzusehen und anzunehmen, daß der neue Verein aus unzufriedenen Secessionisten hervorging. Sein Repertoire athmet denselben Geist, wie das des Societätstheaters: von achtzehn Stücken, die in fünf Vierteljahren aufgeführt wurden, waren sieben schon vom Societätstheater aufgeführt und die übrigen lassen auch keine wesentliche Verschiedenheit, noch weniger Steigerung wahrnehmen. Von Dresdnern rührten dabei folgende drei Stücke her: „Karl und Louise, oder Nur einen Monat zu spät“ von Gottlob Ludwig Hempel, der 1736 in Magdeburg geboren, als Schauspieler in Dresden lebte und 1786 gestorben war; dann „Kindliche Liebe“ von Aloys Friedrich Graf Brühl, einem Sohne des Kabinetsministers; endlich „Wilhelmine Waller, oder Liebe war der Lohn der Tugend“ vom Steuerrevisor Christian Wilhelm Rocksch, der Mitglied des freundschaftlichen Bühnenvereins und dessen Theaterredendichter

Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 1 (1892 bis 1896). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1892–1896, Seite 195. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Erster_Band.pdf/206&oldid=- (Version vom 24.4.2024)