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IV. Jahrgang          1895          Nr. 3.


Von diesen Blättern erscheinen jährlich 4 Nummern im Umfange von 1½ bis 3 Bogen. Bestellpreis für den Jahrgang 3 Mark. Die Vereinsmitglieder erhalten die Blätter unentgeltlich zugesandt.


Die Aufnahme der böhmischen Exulanten in Dresden.[1]
Von Gymnasialoberlehrer Dr. Friedr. Aster.

Nachdem mit der Schlacht am Weißen Berge (1620) der böhmische Aufstand gegen die habsburgische Herrschaft ein schnelles Ende gefunden hatte, war es um die politischen und religiösen Freiheiten der Böhmen geschehen. Die Begüterten unter den Aufständischen büßten ihr Unterfangen mit ganzem oder theilweisem Verluste ihrer Besitzungen, und von allen protestantischen Unterthanen verlangte man, daß sie in den Schoß der alleinseligmachenden katholischen Kirche zurückkehren sollten. Nun grenzte aber einmal Böhmen im Norden an das rein protestantische Sachsen, und dann war im Augsburger Religionsfrieden (1555) den freien Unterthanen, welche der Religion des Landesherrn nicht folgten, das Recht des freien Abzugs (ius emigrandi) zugestanden worden. Diese beiden Umstände ermuthigten viele glaubensstarke Protestanten, lieber ihr theures Vaterland, sei es auch unter Zurücklassung ihrer liegenden Habe, zu verlassen, als dem Glauben der Väter untreu zu werden. Der fromme Glaubenseifer der einen theilte sich den anderen mit, und bald wollten viele Tausende exules Christi werden und suchten in festem Vertrauen auf Gottes Beistand eine neue Heimath. Uebrigens beschränkten sich die Bekehrer nicht auf Böhmen, sondern trieben ihr Wesen mit gleichem Eifer in den anderen Ländern der böhmischen Krone, ja auch in Oesterreich, Kärnthen und Steiermark. Es wanderten deshalb auch aus diesen Ländern zahlreiche Protestanten aus, die, weil sie zu gleicher Zeit und aus demselben Anlaß ihr Vaterland verließen, immer mit gemeint sind, wenn man von Exulanten jener Zeit im allgemeinen spricht. Aus Böhmen kam aber die größte Zahl.

Sachsen nun war der natürliche und zunächst einzige Zufluchtsort der Bedrängten. Kurfürst Johann Georg I. war trotz seiner sonstigen politischen Haltung seinen Glaubensgenossen immer eine letzte Hülfe und Stütze geblieben und nutzte sein gutes Verhältniß zum Kaiser in zahlreichen Fällen zu ihren Gunsten aus. Ihre kühnsten Hoffnungen erfüllte er freilich nicht, aber er wußte es doch dahin zu bringen, daß das katholische Reformationswerk in Schlesien einige Zeit aufgehalten wurde und in der ihm verpfändeten Lausitz überhaupt keinen Anfang nahm. So ward die letztere einer der wichtigsten Zufluchtsorte der böhmischen Protestanten. Aber auch die sächsischen Erblande wurden vielfach das Ziel der Auswanderer, die sich entweder einfach aus den böhmischen nach den sächsischen Bergstädten flüchteten, oder, dem Laufe der Elbe folgend, die Elbstädte von Schandau bis Wittenberg überschwemmten, wenn sie sich nicht weiter nach Brandenburg, Holland oder Dänemark wandten. Schon 1620 kommen die ersten Vorboten der Einwanderung nach Sachsen. Sie finden bei


  1. Der folgende Aufsatz stützt sich auf die betr. Akten des hiesigen Rathsarchivs und des Kgl. Hauptstaatsarchivs, und zwar wurden hauptsächlich benutzt im Rathsarchiv: G. XXV. 17b-e und 17i, G. XXV. 1 und 2, D. XXIII. 1, 2, 2b und 29, und C. XXI. 18z; im Hauptstaatsarchiv: Einnehmung derjenigen, so aus Böhmen u. s. w. betr. 1.-3. Buch (Loc. 10331) und 4., 5. Buch (Loc. 10332), Die böhmischen Exulanten betr. 1631-32 (Loc. 10332), Die böhmischen und schlesischen Exulanten u. s. w. betr. 1647-56 (Loc. 10332), Böhmische Emigranten, wie weit selbige u. s. w. 1661 (Loc. 10533) und Reformation zu Prag u. s. w. betr. 1622-23 (Loc. 7220).
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 1 (1892 bis 1896). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1892–1896, Seite 205. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Erster_Band.pdf/216&oldid=- (Version vom 29.4.2024)