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der Bevölkerung freundliche und herzliche Aufnahme. Das bestimmt 1621 und 1622 eine größere Zahl zur Auswanderung nach Annaberg, Freiberg, Chemnitz und andere Orte mehr. Bald liefen nun bei der Regierung Anfragen der verschiedenen Stadträthe ein, wie sie sich dem starken Andrange gegenüber verhalten sollten. Für Johann Georg und seine Räthe waren aber, so sehr ihr Mitgefühl für die Glaubensgenossen sich regte, in erster Linie Rücksichten politischer und sozialer Art ausschlaggebend. Einerseits wollte man allen Anlässen zu begründeten Beschwerden seitens des Kaisers aus dem Wege gehen, andererseits fürchtete man, es könnten bei dieser Gelegenheit zu viel Mittellose oder gar verdächtige Elemente ins Land kommen. Die Regierung bestimmte daher, daß zwar die Geistlichen eine Zeit lang aufzunehmen, über alle anderen Personen aber immer vor der Einnahme genaue Erkundigungen einzuholen seien. Die letztere Bestimmung wurde jedoch später, als die Einwanderer zu Hunderten hereinkamen und der Krieg häufig Verwirrungen im Verkehr der Behörden hervorrief, in den Provinzstädten selten noch beachtet.

Ganz anders wurde aber von vornherein der Zuzug nach der ihrer Sicherheit wegen von den Exulanten sehr bevorzugten Landeshauptstadt angesehen und behandelt. Dresden war in erster Linie Festung, und zwar die wichtigste Festung des Landes. Dann hatten hier die Regierung und mit geringen Unterbrechungen auch der Hof seinen Sitz. Das waren triftige Gründe, einen bedeutenden Zuwachs der Bevölkerung durch Fremde, besonders in Kriegszeiten, nicht zu wünschen; und so erfolgt denn in den meisten Fällen, wenn Exulanten um Aufnahme in Dresden nachsuchen, der Bescheid, sich nach einer anderen Stadt des Kurfürstenthums zu wenden. Etwas weniger streng wird es mit der Niederlassung in Altendresden und in den Vorstädten genommen. Es mußten deshalb immer ganz bestimmte Gründe vorliegen, wenn ein Exulant auf sein Ansuchen die Erlaubniß erhielt, sich in Dresden, besonders in der Festung, niederzulassen. Demgemäß ermahnt der Kurfürst den Rath wiederholt, keine Fremden ohne besondere Erlaubniß auf- und einzunehmen. Im einzelnen Falle hielt sich außerdem der Kurfürst an die Vermiether und setzte 1629 eine Strafe von 20 Thalern fest für jeden Bürger, der an fremde Leute ohne Wissen und Willen des Rathes vermiethet hatte. Diese für den Stadtsäckel willkommene Einnahme wurde mit großer Strenge eingetrieben, sogar da, wo sie nicht eigentlich am Platze war.

Die Gründe nun, welche die Regierung veranlassen konnten, den Aufenthalt und die Niederlassung in der Hauptstadt zu erlauben, waren sehr verschiedener Art. Außer den Geistlichen, denen auch in Dresden gern ein vorübergehender Aufenthalt gestattet wurde – dauernd fanden sie in der Regel nur als Landprediger Unterkunft und Anstellung – genossen einen Vorzug alle die, welche Landeskinder oder gar Dresdner Bürgerssöhne waren. In dieser Lage befand sich z. B. der Maler Julius August Scandellus, ein Enkel des bekannten kurfürstlich sächsischen Instrumentisten und Kapellmeisters Antonius Scandellus[1], dessen Sohn, der Vater unseres Malers, ebenfalls Instrumentist am sächsischen Hofe gewesen war. Julius August Scandellus hatte sich nach des Vaters frühem Tode der einträglicheren Malerkunst zugewandt und war nach Prag ausgewandert, von wo er nun (1626) zurückkommt. Er wird Bürger und darf sich in der Vorstadt niederlassen. – Ein anderer Künstler, Paul Bachstädt, bisher Instrumentist in kaiserlichen Diensten in Prag, findet als Landeskind (außerdem lebt seine Mutter noch hier) ebenfalls freundliche Aufnahme. Er wird auch Bürger und tritt in die kurfürstliche Kapelle ein.

Manche Exulanten wurden ihrer Brauchbarkeit wegen aufgenommen, so (1627) der Chirurg Andreas Stegmann aus Prag, den der Kurfürst in seine Dienste nimmt. – Als Arzt und lediger Mann ist auch willkommen der Dr. Friedrich Sperer, der 1629 hierher kommt. – Einen Schulmeister, Valentin Flauger aus Prag, schien man auch gut brauchen zu können. Er darf sich 1624 in Altendresden und ein Jahr darauf sogar in der Festung niederlassen, um Unterricht zu ertheilen.

Andere Exulanten wieder mochten ihre Aufnahme dem Umstande verdanken, daß sie einer angesehenen Familie angehörten, der der Kurfürst gefällig sein wollte. Das war wohl der Fall bei der verw. Frau Katharina von Zscherotin, geb. von Hassenstein und Lobkowiz, die 1628 sich nach Dresden wenden will und dem Rathe mit besonderer Wärme vom Kurfürsten empfohlen wird. Ob sie eine Verwandte des bekannten Zscherotin ist, des Führers der mährischen Protestanten, der jedoch gut kaiserlich gesinnt war, habe ich nicht ermitteln können. – Auch ein Bürgerlicher konnte um seines guten Namens willen Aufnahme finden. Das sehen wir an Johannes Meurer, der einer angesehenen Gelehrtenfamilie aus Altenberg entstammte. Sein Großoheim, Wolfgang Meurer[2], und dessen Sohn, Christian Meurer[2], waren berühmte Aerzte und Gelehrte in Leipzig gewesen.

Gegen kleine persönliche Aufmerksamkeiten scheint Johann Georg I. nicht unerkenntlich gewesen zu sein. 1630 kommt Georg Gumprecht, früher Bürgermeister in Sprottau, von Bischofswerda, wo er zuerst eine Zeit lang sich aufgehalten hat, nach Altendresden, bietet dem Kurfürsten seine Dienste an und überreicht ihm einen


  1. Ueber diesen vergl. Fürstenau im Archiv f. d. sächs. Gesch. 4. Bd. (1866), S. 167 ff.
  2. a b Vergl. Jöchers Gelehrtenlexikon.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 1 (1892 bis 1896). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1892–1896, Seite 206. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Erster_Band.pdf/217&oldid=- (Version vom 6.4.2024)