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Lehenträger zur Vermittelung der Steuern und Gefälle einsetzen und wählte dazu den Kammermeister Reichbrodt. Gegen Ende des Jahres 1633 rief ihn die Theilnahme an Wallensteins dunklen Plänen wieder nach Böhmen, und im Februar 1634 wurde er, wie bekannt, zugleich mit Wallenstein in Eger ermordet[1]. Seine Wittwe, die Schwester des Grafen Terzky, behielt das Haus in Dresden und bewohnte es mit 3 Söhnen, 12 Dienern und 17 Dienerinnen. Sie heirathete 1637 einen schwedischen Oberst und starb kurz darauf in Greifswald. Das Haus blieb aber noch jahrelang im Besitze der Familie.

Eine entschiedene Zurückweisung erfuhr Herr Hennig von Wallenstein, der schließlich nach Meißen ging, wo er 1623 starb. – Aehnlich erging es Georg Krinetzky, Freiherrn von Ronau, welcher 1631 von Altendresden, wo er seit 2 Jahren wohnte, nach der Festung ziehen wollte. – Es sei hier daran erinnert, daß die tschechischen Herren bei der Kurfürstin Magdalena Sibylla, welche einen zwar nicht auffälligen, aber doch deutlichen Einfluß auf ihren Gemahl in politischen und religiösen Fragen ausübte, sehr übel angeschrieben waren, während diese sonst mit den Exulanten großes Mitleid hatte[2].

Es mögen die genannten Beispiele genügen, um zu zeigen, wie man gegen die einzelnen Ankömmlinge sich verhielt. Was nun die Gesammtheit der Exulanten in Dresden betrifft, so ist es Dank den mehrfachen und zum Theil recht ausführlichen Verzeichnissen der Exulanten, welche der Kurfürst von Zeit zu Zeit dem Rathe abforderte, möglich, uns ein ungefähres Bild nicht nur von dem allmählichen Anwachsen und schließlichen Stillstande der Einwanderung, sondern auch von den privaten Verhältnissen der meisten Exulanten zu machen. 1623, aus welchem Jahre das erste vollständige Verzeichniß stammt, finden wir im Ganzen nur 74 Exulanten in Dresden, vorwiegend Geistliche und Soldaten mit ihren Angehörigen. Der größte Theil, nämlich 54 Personen mit 22 Pferden, wohnt in der Festung.

Die nächste Zählung fand 1629 statt. Jetzt sind es 58 Personen, aber ohne die Angehörigen und Diener, welche die Zahl gewiß auf das Drei- oder Vierfache steigern würden, da die meisten Exulanten verheirathet und mit Kindern gesegnet sind und, besonders die Vornehmen, einen erstaunlichen Troß von Dienerschaft mitbringen. Nur drei Personen, Graf Kinsky, Herr von Heeresan (oder Hiresan) und Frau Käplerin von Sulewiz, haben sich bis jetzt mit ihren Familien angekauft, und zwar in der Festung.

1632 verlangt der Kurfürst abermals ein Verzeichniß. Es stellt sich heraus, daß 406 Personen, wobei aber das Gesinde nicht immer vollständig gezählt ist, im Stadtgebiet sich niedergelassen haben. Nur der vierte Theil davon wohnt in Altendresden oder in den Vorstädten. Infolgedessen klagt der Rath über Wohnungsnoth, Vertheuerung der Miethen und Getreidemangel. Die ohne Erlaubniß in der Stadt weilenden Fremden werden nachträglich geduldet, obgleich der Kurfürst über ihre Anwesenheit sehr ungehalten ist.

Ein Jahr nach dem Prager Frieden (1636) muß der Rath wieder über die Exulanten und ihre Zahl berichten. Zugleich werden der Festungshauptmann Adrian von Wallwiz und der Schösser Paul Weber angewiesen, sich an der Zählung zu betheiligen. Diesmal zählt man 642 Personen, worunter wieder sehr viele ohne Aufenthaltserlaubniß sind. Gegen sie ist jetzt der Kurfürst weniger nachsichtig. Er schickt das Verzeichniß zurück und verlangt (1637) ein neues, worin bei jedem Exulanten bemerkt werden soll, wann und von wem ihm der Aufenthalt gestattet worden sei, u. a. m. Der Kurfürst ist offenbar sehr ungnädig gestimmt. Zweimal noch versucht es der Rath, seine Intentionen zu treffen; es will ihm aber nicht glücken. Es kommt sogar so weit, daß der Kurfürst von „ungleichen Gedanken“ spricht, die des Rathes Verhalten erwecke, und mit seiner Ungnade droht. Nun läßt der Rath eine Anzahl recht lehrreicher Spezialverzeichnisse nach den verschiedensten Gesichtspunkten anfertigen, um den Wünschen des Kurfürsten gerecht zu werden. Des allgemeinen Interesses wegen sei aus diesen Verzeichnissen hier nur erwähnt, daß damals 7 Personen des gräflichen und Herrenstandes 12 Ritter und 7 „adlige Frauenzimmer“ als Exulanten in Dresden lebten.

Die letzten, aber unvollständigen Verzeichnisse wurden bei Gelegenheit neuer Vereidigungen 1643 und 1654 angefertigt.

Die Frage, wie viel eigentlich Exulanten im ganzen nach Dresden gekommen sind, ist genau nicht zu beantworten. Wir erfahren aber, daß 1653 noch „täglich neue Exulanten“ ankamen und daß 1681 kein Zuzug mehr erwartet wurde. Weil nun nach 1654 keine Exulanten mehr vereidigt wurden und auch keine Verzeichnisse mehr über sie auftauchen, so werden nach diesem Jahre Exulanten in größerer Zahl in Dresden nicht mehr eingetroffen sein. Wenn ferner nach der letzten vollständigen Zählung (1637) im Ganzen 642 Exulanten in Dresden lebten, so ist nicht anzunehmen, daß es je gleichzeitig über 1000 waren, welches aber vielleicht rund die Zahl aller nach Dresden gekommenen Exulanten sein dürfte. In Pirna, Zittau und anderwärts zählten sie dagegen nach mehreren Tausenden.

Interessant ist es nun zu verfolgen, wie sich diese im Verhältnis zur Gesammtbevölkerung der Stadt


  1. Vergl. über ihn den Artikel von Hallwich in der Allgemeinen deutschen Biographie, 15. Bd., S. 775 ff.
  2. Vergl. dazu einige Briefe der Kurfürstin an ihren Gemahl bei Gaedeke a. a. O. S. 266 f.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 1 (1892 bis 1896). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1892–1896, Seite 208. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Erster_Band.pdf/219&oldid=- (Version vom 6.4.2024)