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der Gesammtheit gethan werden sollen. Da haben wir ganz den H. Heß. So lange ich ihn kenne, hat er sich nie zu einer Theilnahme bei dergleichen Angelegenheiten, geschweige denn zu einem Vorangehen entschließen können. Er hat wohl gewöhnlich gemeint, die Sache sei gut, sie müsse geschehen; aber ist sie geschehen, so hat er noch immer raisonnirt und heraus geklügelt, daß sie anders hätte geschehen sollen. Er wird mich nicht überzeugen, daß ich nicht wohl gethan habe.

21) Donnerstag... Eine interessante Schrift von Helfferich über „Kunst und Kunststyl“ mit einem Sendschreiben an Kaulbach gelangt in meine Hände. Kaulbach wird ziemlich scharf angegriffen. Dieses Schriftchen trägt dazu bei, mich an meiner Komposition „Josephs Erhöhung“, deren Aufzeichnung auf Holz schon fast vollendet ist, völlig irre zu machen und den Entschluß zu befestigen, den Gegenstand ganz neu zu komponiren.

22) Freitag. Versuche einer neuen Komposition, bei welcher die Beimischung allegorischer Elemente vermieden ist. Es will mir aber nicht gelingen, gleiches Leben und gleiche Deutlichkeit zu geben, wie ich glaube beides in der älteren Komposition gegeben zu haben. So wird’s also wohl beim Alten bleiben und Dr. Helfferich muß sich schon gefallen lassen, daß Allegorisches (oder Symbolisches) mit Historischem zusammengeknetet ist.

23) Samstag. Mit heute läuft die Zeit ab, während welcher mir die Leitung der Studien nach dem Modell oblag. Es arbeiteten nicht viel Schüler; diejenigen aber, welche Antheil nahmen, arbeiteten fleißig und gut. Sie malten alle bis auf einen. Der junge Langer, Bruder des Kupferstechers, malte am besten. In ihm wird mein Atelier einen neuen Zuwachs erhalten. Er hat sich bereits als Atelierschüler angemeldet, und ich nehme ihn gern auf.

August.

1) Montag... Im Restaurationszimmer finde ich das Gemälde von Murillo völlig befreit von seiner schmutzig gelben Decke. Inspektor Schirmer hat sich gestern (am Sonntag, wo alles nach Erholung und Unterhaltung strebt) an die Arbeit gemacht und das Bild gereiniget. Es zeigt sich nun so klar und rein und wohlerhalten, daß es eine Freude ist; und wenn man über die Aechtheit des Bildes hätte in Zweifel sein können bei der Betrachtung desselben in seinem Schmutz, so wird es jetzt keinem Kundigen einfallen, an der Originalität zu zweifeln...

3) Mittwoch... Anfertigung der Zensurliste der Schüler der oberen Klasse. Auffallend ist die geringe Theilnahme der Schüler an den Studien nach dem Modell. Viele kopiren auf der Galerie, um die Kopien zu verkaufen. Andere wollen eigene Erfindungen auf den Verkauf ausführen. Wieder andere sind überhaupt schläfrig und unlustig zur Arbeit. Es fehlt an dem rechten Trieb und Geist.

5) Freitag... Im Atelier macht mir Wislicenus Freude, indem ich eine neue sehr schöne Zeichnung in Rothstift ausgeführt sehe, welche den Sommer darstellt. Kirchbach faßt die Sache nun auch besser an. Seine „Rückkehr aus Egypten“ ist sehr gut aufgefaßt und komponirt, mit der Ausführung wollte es aber gar nicht gehen. Formen und Behandlung hatten etwas Oberflächliches und Rohes, das mir nicht gefallen konnte. Ich setzte ihm nun seit einiger Zeit gewaltig zu, mehr Studium zu verwenden, und Kirchbach, der ein trefflicher Junge ist, nahm sich’s zu Herzen, gab sich viel Mühe, und ich hoffe, es wird nun gehen [1].

6) Samstag...Rietschel wählt mich zum Pathen seines Töchterchens.

13) Samstag... Galerie-Kommission. Wir finden das Gemälde von Valdes Leal, einen Dominikaner darstellend, völlig gereiniget und wiederhergestellt. Es ist ein sehr ausgezeichnetes Bild und nächst dem Murillo unter den neuerworbenen Bildern wohl das werthvollste.

18) Donnerstag...Rietschel hat die Skizze zu dem Denkmal für C. M. von Weber gemacht und das Komité wird morgen zusammentreten, um sich darüber offiziell auszusprechen. Ich besehe mir heute das Werk, von dem ich glaube, daß es unter Rietschels Händen, die jeder Zeit eine vollendete Durchbildung erwarten lassen, ein feines, charaktervolles Bild des großen Tonkünstlers werden wird.

19) Freitag. Das Komité für Errichtung des Weber-Denkmals versammelt sich um 5 Uhr in Rietschels Atelier, um die Skizze der Statue zu besichtigen. Der Vorstand, Regierungsrath Schulz, ist durch eine Einladung vom Prinzen Johann verhindert zu kommen. Einige der Komitémitglieder haben Weber persönlich gekannt; so Reißiger und Heine. Einige Bemerkungen, die auf kleine Abänderungen hinzielten, wurden gemacht. Im ganzen waren alle mit dem Entwurf einverstanden.

22) Montag. Auf der Galerie finde ich die vier noch aus London erwarteten spanischen Gemälde, welche Gruner zu den früher angekommenen zwölf hinzugekauft hat. Von großer Bedeutung ist nichts dabei, eines ist völlig unbedeutend.


  1. Daß ich diese Ernst Kirchbach betreffenden Sätze nicht vom Abdruck ausschließe, geschieht der besonderen Ursache wegen, weil sie eine Abwehr der Angriffe enthalten, in denen sich vor einigen Jahren Wolfgang Kirchbach in seinen „gesammelten kleineren Schriften“ (München und Leipzig 1886, S. 267 f.) gegen Schnorrs Kunst- und Lehrweise und die ganze, mit der Zeit der Wirksamkeit Schnorrs seiner Meinung nach zusammenfallende „leichtsinnige Kunstperiode“ ergangen hat.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 1 (1892 bis 1896). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1892–1896, Seite 231. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Erster_Band.pdf/242&oldid=- (Version vom 20.5.2024)