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Ausnahmen gemacht, die diesen Grundsatz etwas stark durchlöchern. Die nothwendigen Staatsgeschäfte, Handel, Gewerbe, Ackerbau und Jugendbildung dürfen nicht gestört werden, Familien nicht hilflos gelassen, die Bande der Gesellschaft nicht zerrissen werden.

Daher sind befreit: a) aktive Geheimräthe, Präsidenten, Direktoren; b) aktive Militärs; c) Freiwillige im Banner; d) Landwehrausschüsse; e) installirte Geistliche; f) Professoren, Lehrer an den öffentlichen Schulen; g) konfirmirte Schullehrer; h) Aerzte, Chirurgen. Zu entlassen oder in Reserve zu stellen sind: 1. körperlich Untaugliche; 2. Staatsfremde; 3. Besitzer adliger Güter; 4. höhere Staatsdiener; 5. Studenten und Schüler, die Zeugniß für Weiterstudien bringen; 6. amtlich, häuslich, gewerblich Unabkömmliche.[1] Wer von den letzten zwei Abtheilungen vermögend ist, hat einen Ersatzmann zu stellen oder eine Ausrüstung zu bezahlen. Doch kann Jeder, den das Loos getroffen hat, aus der Landwehrreserve einen Vertreter stellen und besolden.

Man sieht, es fehlt nicht an Ausnahmen zu Gunsten des Geburtsadels und des Beamtenstandes. Da aber außerdem Geld ein Mittel zur Befreiung von der „heiligen“ Pflicht war, so entbehrt die ganze Einrichtung eines tieferen, inneren Werthes.

Zum Geschäfte des Loosens wurden sehr umfängliche Vorbereitungen getroffen, sehr ausführliche Bekanntmachungen erlassen. Die Hausbesitzer mußten binnen 24 Stunden bei 5 Thaler Strafe genaue Hauslisten abliefern und beim Ausschusse niederlegen. (Rathsakten G. XXXIV. 67.) An die dem Rathe zu Dresden unterstehenden Aemter zu Zitzschewig und Kötzschenbroda erging die Weisung, binnen 5 Tagen Listen einzureichen; die Landwehrpflichtigen sollten sich am 7. Dezember im Breitenbauch’schen Hause, Ecke des Altmarktes und der Lochgasse, stellen. Ferner wurden die Präsidenten, Chefs und Direktoren der zu Dresden befindlichen Kollegien, Deputationen und Kanzleien vom Ausschusse aufgefordert, ein Verzeichniß aller Angestellten im Alter von 18 bis 45 Jahren zu liefern, sowie über Entbehrlichkeit und Unentbehrlichkeit der Betreffenden zu berichten. Damit Mühl- und Handwerksburschen den Behörden nicht entgingen, wird ausdrücklich befohlen, daß ihnen die Wanderbücher zurückgehalten werden sollten. Alle Obrigkeiten werden für haftbar erklärt; im Hinterziehungsfalle werden die Schuldigen selbst eingestellt oder – wenn körperlich unfähig – zu Geldstrafen von 100 bis 1000 Thaler verurtheilt werden, die in die Ausrüstungskasse fließen sollen.

Die Loosung sollte täglich von 9–1 und 3–7 Uhr, der Schnelligkeit halber nach Häuserreihen und in zwei Zimmern zugleich, öffentlich vorgenommen werden. Die in der Stadt herrschenden epidemischen Krankheiten mit ihrer Ansteckungsgefahr verboten aber das Zusammenströmen aller Landwehrpflichtigen. Es sollten die Loose daher von Waisenknaben gezogen werden, die vom Ausschusse und 42 hinzugewählten Bürgern überwacht wurden. Unter diesen 42 sind etliche denkwürdigen Namens: Stadtprediger M. Cramer, Senator Renner (der Mann der „Gustel von Blasewitz“), Appellationsrath Dr. Körner, Kammerherr von Globig, Hoffaktor Scheffel, Hofrath Dr. Tittmann, Hofgärtner Seidel. Acht Aufsichtsführende mußten zugegen sein, zehn Personen aus dem Publikum durften gleichzeitig dem Vorgange beiwohnen, aber nur möglichst kurze Zeit.

Die sofort zu formirende Landwehr, deren Kommando dem Oberstlieutenant von der Mosel zugetheilt wurde, sollte aus der Zahl der 18–30 Jahre alten, die Landwehrreserve aus den 30–45 Jahre alten Männern geloost werden.

Die Waffenkleider (dunkelblauer Rock, rother Kragen und Aufschlag) und die Ausrüstung hatte der einzelne Mann oder seine Gemeinde zu bestreiten. So lange die Landwehr im eigenen Kreise stand, gab es keine Besoldung, doch war Entschädigung denkbar. Außerhalb des Kreises bezog der Landwehrmann Heeressold. Pensionirte Offiziere, verabschiedete Soldaten wurden zum Einexerziren bestimmt. Der Ausschuß behielt sich die Ernennung der Offiziere vor, die die Wahl annehmen mußten. Wer sich auszeichnete, sollte Offizier werden und dadurch Mitglied des Banners, eine Maßregel, wodurch der Banner unnöthiger Weise über die Landwehr gestellt wurde.

An diese Veröffentlichungen schlossen sich Verwarnungen gegen die, welche wissentlich falsche Angaben über sich und über Andere machten. Doch erwartete der Ausschuß von dem bewährten Biedersinn der Dresdner besonders bei den Reklamationen, die in einer bestimmten Frist eingebracht werden durften, wahre Angaben. Auszeichnungen und Belohnungen, sowie Entehrungen und Strafen wurden in Aussicht gestellt. Unter den Auszeichnungen ragt hervor das Tragen der neuen „sächsischen Nationalkokarde“, welche nach der Raute grün und, zum Andenken an die Epoche der Befreiung (?), mit einem schmalen schwarzen und orangefarbenen Rande an der Kopfbedeckung getragen werden sollte. Landwehrleute erhielten ein Kreuz von gelbem Blech an den Hut geheftet. Wer sich vor dem Loosen freiwillig stellte, sollte auf der linken Brust ein grüntuchenes Kreuz tragen, ebenso wer sich bei der Organisation der Landwehr auszeichnete. Durch eine spätere Verfügung Repnins wurde das Tragen des grünen Kreuzes für immer angeordnet; ja Frauen sollten


  1. Auf dem Lande waren auch ausgenommen Schäfer auf Schäfereien, wo noch Schafe seien.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 1 (1892 bis 1896). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1892–1896, Seite 21. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Erster_Band.pdf/27&oldid=- (Version vom 17.4.2024)