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nichts – als sein Scherflein demüthig auf den Altar des Vaterlandes hinzulegen, und Sie verzeihen uns gewiß, daß wir dies durch Ihre Hände thaten. Die huldreiche Art, mit welcher die Kaiserin von Rußland mir den mitfolgenden Ring selbst überreichte, machte ihn mir als ein Andenken an ein Land, wo es mir so wohl ging, unschätzbar. Jetzt kann ich nur bedauern, daß meine Söhne nicht mannbar sind, um das meinem Herzen Theuerste dem Vaterlande zu widmen....“

Während der Stellungen selbst kommt es häufig vor, daß Minderjährige die Waffen tragen möchten, oder daß jüngere sich für den älteren Bruder einreihen lassen wollen. So hat der 15 jährige Sohn des Advokaten Andrich in Dresden den Ausschuß zweimal geplagt, ihn anzunehmen, doch er mußte, weil nicht kräftig genug, thränenden Auges entlassen werden. Der 19 jährige Sohn des Eisenhändlers Römer tritt für den älteren 23 jährigen Bruder ein, den das Loos getroffen, der aber fürs Geschäft zu nöthig sei. (Rathsakten G. XXXIV. 118.)

Besonders rührend ist eine Geschichte, die, wenn sie sich auch nicht in Dresden abgespielt hat, doch in den Landwehrblättern erwähnt wird: Zwei Söhne des alten Amtsfrohns Schreiber zu Sonnewalde in der Niederlausitz meldeten sich, ohne daß es der eine vom andern wußte, freiwillig. Jeder hatte gedacht, der andere werde bei den Eltern bleiben und helfen. Der Landesdeputirte von Houwald entschied sich für den jüngeren, unverheiratheten. Da bat ihn der ältere weinend, obwohl er Frau und Kinder habe, lieber ihn anzunehmen; der jüngere finde sich noch nicht in die Welt und sei der Liebling der Eltern.

Ein später in Dresden berühmt gewordener Schulmann, Justus Blochmann, hat sich damals von Vverdun aus, wo er bei Pestalozzi das Lehren lernte, mit noch einem andern sächsischen Lehrer angeboten, fürs Vaterland zu kämpfen.

Wie in all den angeführten Beispielen die Männer sich hervorgethan haben, so ist auch eine eifrige Thätigkeit der Frauen zu verzeichnen. Die der Familie Körner befreundete Geheimräthin von Schönberg geb. Gräfin Luise von Stolberg-Wernigerode stand an der Spitze aller der Frauen und Jungfrauen, die warme und starke Unterkleider, sowie Mittel zur Wundpflege beschaffen wollten.

An einer glänzenden Gabe für die Krieger betheiligte man sich besonders gern: es galt den Wunsch, den der Dresdner Ausschuß schon am 30. November der Frau von Schönberg gegenüber ausgesprochen hatte, zu erfüllen. Edle Mädchen haben im Hause dieser trefflichen Frau die Landwehrfahne gestickt, die am 30. Januar 1814 überreicht wurde. Am 11. Februar wurden aus den Kreisen der Frauen Dresdens noch zwei Fahnen dem Banner der freiwilligen Sachsen gegeben.[1]

Alle diese Veranstaltungen und Zusammenkünfte führten sehr häufig zu Festlichkeiten. An solchen hatte es während der Anwesenheit Napoleons, des königlichen Hofes und seiner Gäste nicht gefehlt, aber die Feste, die trotz Krankheit und Elend vom Dezember 1813 bis zum Juni 1814 abgehalten wurden, zeigen doch eine frischere, fröhlichere Theilnahme der Bürgerkreise. Man merkt, daß in die Volksmenge eine Idee gedrungen ist. Bei Gastmählern, Kirchenfeiern, Aufzügen wird mit einer gewissen Begeisterung gesprochen. Mit Feuereifer wirft man sich auf vaterländisches Dichten. In den 15 Nummern der Landwehrblätter stehen nicht weniger als 32 kürzere oder längere Gedichte, meist natürlich sehr mittelmäßig. Unverkennbar ist der Einfluß Schillers und Körners. An das Reiterlied aus Wallensteins Lager, an Lützows wilde, verwegene Jagd, auch an Schuberts Kaplied gemahnen etliche dieser sangbaren Lieder. Man feierte in ihnen den Banner, die Landwehr, die Sachsen, die Frauen, die Freiheit, den Fall von Paris. Z. B. Die Sachsenschaar „Was zieht dort herauf in dem eisigen Thal, vorüber den grausenden Trümmern?“ Das Morgenroth der Freiheit „Auf! auf! ihr Brüder! und seid stark!“ Standartenweihe der sächsischen Landwehrkavallerie „Wohlauf, ihr Krieger, aufs Pferd, aufs Pferd!“

Am merkwürdigsten ist es, daß Körners Aufruf (Frisch auf, mein Volk! Die Flammenzeichen rauchen!) mit der Fußnote erscheint: „von ehrwürdiger Hand aus dem handschriftlichen Nachlasse des heldenmüthigen jugendlichen Barden Theodor Körner“. Die Vermuthung, daß darin der erste Abdruck des Gedichtes zu sehen ist, hat ein im Körnermuseum vorgenommener Vergleich mit dem bisher bekannten Erstdrucke (Leyer und Schwert, Berlin 1814) bestätigt. Die Wiedergabe in den Landwehrblättern (Seite 95) enthält Abweichungen, die sich aus einer flüchtigeren Abschrift der in Körners Brieftasche befindlichen Urschrift erklären. [2]

Ebenso wie diese Gedichte, die zum Theil als Rundgesänge erklangen, stimmten die kirchlichen Feste die Bevölkerung Dresdens sehr feierlich.

Schon am 29. November 1813 hatte sich der Ausschuß für die Landesbewaffnung der Stadt Dresden an den Oberhofprediger von Ammon gewendet und ihn ersucht, seinen edlen Feuereifer für Deutschlands Befreiung und seine ergreifende Gewalt über die Gemüther


  1. Im Körnermuseum sind die farbigen Zeichnungen zu einer dieser Fahnen – von Emma Körners Hand – noch vorhanden.
  2. Das höchste Ziel (statt Heil) das letzte, liegt im Schwerte
    ......
    Hoch (statt doch) stehst du dann, mein Volk, bekränzt vom Glücke,
    ......
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 1 (1892 bis 1896). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1892–1896, Seite 25. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Erster_Band.pdf/31&oldid=- (Version vom 18.4.2024)