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zu benutzen, um am großen Werke mitzuwirken. Am nächsten Sonntage sollte in allen Kirchen der Stadt eine passende Predigt gehalten werden, die zur Landesbewaffnung anreize. – Er und die andern Prediger wurden um so eher für den Gedanken gewonnen, als der Ausschuß in seiner Bitte betonte, daß es in Wahrheit ein Kampf der Tugend und des Glaubens sei, um sich vor allgemeiner Sittenverderbniß und vor Irreligion zu bewahren; Gedanken, die sehr an den Ideenkreis der späteren heiligen Allianz erinnern.[1]

Am 5. Dezember, wie nachher bei allen Festtagen, bei der Fahnenweihe, der Vereidigung der Landwehr, beim Ausmarsch und der Heimkehr der Krieger fehlte es daher nicht an kirchlichen Feierlichkeiten. Der Hauptmittelpunkt dafür war die nach den Kriegswirren wieder neu geweihte Frauenkirche, in der M. Nicolai zu verschiedenen Malen das Wort ergriff. Die Theilnahme und der Eifer der Dresdner Geistlichkeit für die vom Gouverneur gepflegte und gern gesehene Volksbewegung war derart, daß der Verfasser der Briefe aus Sachsens unglücklichster Periode (S. 4) sogar sagt: es sei ziemlich befremdlich gewesen, wie geschäftig und schmeichlerisch sich mehrere Dresdner Geistliche benommen hätten; Reinhard, der 1812 gestorben war, hätte sich gewiß anders benommen![2]

Mustern wir einmal kurz einige solche Festtage Dresdens, die durch militärisch-patriotische Begeisterung hervorgerufen wurden.

Sonntag den 5. Dezember fand ein Festessen im Hotel de Pologne statt, dessen Saal reich mit Waffen und Fahnen geschmückt war. Freiwillige aus allen Ständen verkehrten zwanglos mit den bejahrteren Männern. Unter den vielen Trinksprüchen ist der altdeutsche Minnetrank auf die Todten besonders merkwürdig; er galt dem Sohne des mitanwesenden Dr. Körner. Am Abend gaben die Mechaniker Kaufmann, Vater und Sohn, zum Besten für den Banner eine Vorstellung mit ihren musikalischen Maschinen. Zu demselben guten Zwecke führten in jenen Tagen die Dreißig’sche Gesangakademie und die Königliche Kapelle im Schauspielhause die Schöpfung von Haydn auf; dabei erntete das Hauptlob eine Sängerin Madame Meyer geb. Grünewald, deren Gatte selbst unter die Fahnen des Vaterlandes getreten war.

Am 24. Dezember wurde der Geburtstag des Kaisers Alexander in der Frauenkirche dadurch gefeiert, daß sowohl eine Bannerkompagnie, als auch Landwehrleute den Eid vorm Altare ablegten.

Hauptfesttage kamen vom 28.–30. Januar 1814. Ein Bataillon Niederlausitzer Landwehr wurde vom Dresdner Bataillon vor der Stadt bewillkommnet und jubelnd bis auf den Neumarkt geführt, wo Begrüßung und Parade stattfand. Den 29. hielt man unter Vorsitz des Generalmajors von Vieth ein glänzendes Mahl ab, auf dem Trinksprüche und Lieder flossen. Hier eine Probe:

Der herab vom Himmel schaute,
Hielt ein schweres Strafgericht!
Tödt’ auch du, der Sachsen Raute,
Jedes giftige Gezücht!
Winde dich um Schwert, um Lanze!
Winde dich zum Siegerkranze!

Ganz besonders festlich gestaltete sich aber der 30. Januar. Generalmajor von Vieth begab sich mit dem Kreishauptmann von Zezschwitz in das Haus der Geheimräthin von Schönberg; von ihr erbat sich dieser die Uebergabe der von den Frauen gestickten Fahne und dankte innig. Darauf wurde das Feldzeichen auf die Mitte des Altmarktes gestellt und kriegerisch begrüßt. Dann trug man es in die Frauenkirche, wo es durch M. Nicolai geweiht wurde und der Fahnenjunker das grüne Kreuz erhielt.

Oberstlieutenant von der Mosel, der mit wenig Worten in den Dresdner Anzeigen von Gönnern und Freunden Abschied genommen hatte, führte die Landwehr zum Thore hinaus.

Nachdem nun im Februar die Fahnenweihe für den Banner gehalten und dessen Abmarsch erfolgt war, trat für Dresden etwas Ruhe ein; die Landwehrblätter erscheinen seltener, und ihr Umfang wird geringer.

Wir müssen an dieser Stelle darauf verzichten, von dem unrühmlichen Verlauf der Thaten, die der Banner verrichtet, zu sprechen; wir beschränken uns auf die Erzählung der Leistungen des Dresdner Landwehrbataillons. Die Verstärkungen, die durch die sächsischen Landwehrregimenter und die neu gebildeten Linientruppen nach Flandern zum neuen dritten deutschen Armeekorps stoßen sollten, wurden dort sehr lebhaft erwartet. Der Befehlshaber des Korps, Herzog Carl August von Weimar, tadelte in einem Schreiben den Generallieutenant von Thielmann wegen der langsamen Entwickelung der Landesbewaffnung; dieser wies den Vorwurf zurück, da ihm Alexander nur die Organisation der Armee, aber nicht die Nationalbewaffnung übertragen habe. (Bucher, der Feldzug in Flandern 1814, S. 54.) Es war natürlich, daß bei dem grenzenlosen Elend, der Verarmung und Verseuchung im Volke, bei dem Mangel


  1. Die Auschauung, daß in Napoleon und in den Franzosen der Unglaube, das böse Prinzip bekämpft werde, erscheint dann in Prosaaufsätzen und Gedichten der Landwehrblätter sehr häufig; besonders bemerkbar macht sich hierbei ein sehr verworrener Graf von Löben.
  2. Sowohl in den Landwehrblättern als in den Deutschen Blättern sind Proben damaliger Kanzelberedsamkeit, zum Theil durch „Geschwindschreiber“, festgehalten worden.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 1 (1892 bis 1896). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1892–1896, Seite 26. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Erster_Band.pdf/32&oldid=- (Version vom 18.4.2024)