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oder Vermißte zu verzeichnen; das erste nur 58 Todte und 232 Vermißte.

Den Linienregimentern war es zu verdanken, daß das detachirte Korps Thielmanns nicht ganz vernichtet wurde. Sehr verschieden urtheilten er und die Unterführer über die Haltung der Landwehr. Oberstlieutenant von der Mosel und Adjutant Verlohren konnten mit einigem Rechte in Berichten und Briefen betonen, daß sich ihre Dresdner Leute gut gehalten hätten, eben im Verhältniß zu den Niederlausitzern und zu den Leipziger, Erzgebirgischen und Schönburgischen Bataillonen des dritten Regiments. Thielmann zeigte sich dagegen sehr entrüstet, tadelte sein Korps und schob den Mißerfolg auf die Erbärmlichkeit der Truppe. „Bei der Landwehr ist der Fehler, daß mehrere Bataillone ohne alle Offiziere sind, die gedient haben. Mit solchen Truppen riskirt man seine Ehre....“ (Bucher S. 204, Anmerk.)

Der an der Spitze der Landesbewaffnung stehende Generalmajor von Vieth verlangte, daß „zur Ehre der sächsischen Nation, das Verhalten jener Truppen genau untersucht und jeder gewissenhaft und ohne Schonung angezeigt werden sollte, welcher Veranlassung zu dem beugenden Tagesbefehle Thielmanns gegeben hätte damit er aus der Reihe der ehrliebenden Vaterlandsvertheidiger ausgestoßen werden könne.“ Wenn Thielmann darauf drang, die Sache ruhen zu lassen, so beweist dies, daß er wohl selbst einsah: seine Fehler verschuldeten den Mißerfolg. Er hatte gegen die Abrede ganz ungeschulte Truppen gegen einen Feind geführt, den er gründlich unterschätzt hatte.

Nachdem die Landwehrregimenter einige Zeit in Tournay gestanden, kam die Nachricht vom Abschlusse des Friedens, und so konnten sie denn Ende April über Lüttich und Aachen nach der Heimath abmarschiren.

Ueber die Festlichkeiten, die die Stadt Dresden am 11. und 12. Juni 1814 dem zurückkehrenden Landwehrbataillon bereitete, enthält die fünfzehnte und letzte Nummer der Dresdner Landwehrblätter ganz besonders ausführliche Berichte. „Es war ein Volksfest, es war eine Aufnahme der Kinder in das Vaterhaus.“ Viele Bewohner Dresdens waren bis Wilsdruff und in die umliegenden Ortschaften am Tage vorher gegangen, um dort zu übernachten und die Zurückkehrenden zuerst zu bewillkommnen. Mit dreimaligem Vivat begrüßten diese selbst von den Gorbitzer Höhen die geliebte Vaterstadt. Am Löbtauer Schlage ward Halt gemacht: Repnin, die hohe Generalität, die Ausschuß- und Magistratsmitglieder, das sächsische Militair, die Bürgergendarmerie und die Bürgergarde und viele andere bewillkommneten die heimkehrenden Krieger.

Nach der Begrüßung durch Repnin wurden an den Obersten von Arenstorff und an den Oberstlieutenant von der Mosel russische Orden gegeben. Der Zug bewegte sich durch die Friedrichstraße und den Zwinger nach dem Neumarkte. Hier dankte von Vieth im Namen des Fürsten Repnin den Landwehrleuten und forderte alle edeln Sachsen auf, mit Vertrauen auf Alexander zu blicken, der die Grenzen und Gesetze Sachsens aufrecht zu erhalten wünsche. Nach Vorbeimarsch lösten sich die Truppen auf. Abends vereinigte ein Festmahl, das der Rath gab, die Offiziere und viele angesehene Leute auf dem Linckeschen Bade, wo auch Repnin erschien. In der schönen Juninacht blieben unter Trinksprüchen und Rundgesängen die Festtheilnehmer noch lange zusammen. Alle Soldaten des Bataillons bekamen vom Sergeanten abwärts durch den Rath eine zehntägige Löhnung ausgezahlt.

Am folgenden Tage, Sonntag den 12. Juni, wurden früh 6 Uhr 100 Kanonenschüsse gelöst; dann fand in Repnins Gegenwart in der Frauenkirche ein Dankgottesdienst statt, bei dem der ambrosianische Lobgesang ertönte; auf dem Neumarkte gaben russische Truppen Flintenfeuer dabei ab. Derselbe M. Nicolai, der die Landwehrfahne geweiht, die Eidesleistung vorgenommen, die Fortziehenden gesegnet hatte, sprach zu den Zurückgekehrten. Mittags um 1 Uhr erschienen, als Gäste des Ausschusses, Offiziere und Mannschaften im Großen Garten. Jene speisten unter freiem Himmel in Gegenwart Repnins. Feierliche Trinksprüche wurden von Kanonendonner begleitet. Die Mannschaften belustigten sich mit Kletterstangen, Wettrennen, Hahnschlag, Vogelschießen und in einem Tanzsaal. Der Dresdner aber vergnügte sich noch besonders daran, daß sein geliebter Großer Garten, aus Kriegsungewittern und Trümmern wie neu erstanden, in altem Schmucke erglänzte.

Nach einem Tagesbefehle Vieths war während dieser Festlichkeit der Herr Generalgouverneur „ganz und ungetheilt Sachse“. Er ließ alle Polizeiposten abtreten[WS 1] und bewegte sich unter der Volksmenge und den Mannschaften ganz ungezwungen.

Und das Schicksal der Landwehr in Sachsen, also auch in Dresden? Zunächst wurde sie entlassen; doch blieb von ihr und vom Banner ein Stamm zurück, und zwar auf Anordnung des preußischen General-Intendanten und Generalmajors von Ryssel, der seit Repnins Abberufung und seit Einsetzung einer preußischen Verwaltung (10. November 1814) die Armeeangelegenheiten unter sich hatte. Als nun die Kunde von Napoleons Entweichung von Elba erscholl, wurden geeignete Maßregeln ergriffen, falsche Hoffnungen zu zerstören und die Kraft Sachsens neuerdings zu entwickeln. Am 10. April 1815 bedrohte eine Verfügung den, der in Worten oder Werken seine Anhänglichkeit an Napoleon Bonaparte bethätigte, mit sofortiger Verhaftung. Am 11. April wurde zum Eintritte von Freiwilligen aufgefordert; am 29. April erging der

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: ababtreten
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 1 (1892 bis 1896). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1892–1896, Seite 28. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Erster_Band.pdf/34&oldid=- (Version vom 18.4.2024)