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Kantorei – wie eine alte Urkunde meldet – in flotten Schwung.

Gleich von Anfang an ist die Gründungsurkunde so trefflich abgefaßt, daß sie über 100 Jahre als Grundlage gelten durfte. „Erst wollen wir in unserer kantorei, das unter eilff großen personen zum Baß, Alt und Tenor und den neun knaben zum Diskant nicht sein sollen und soll allezeit einer unter den großen personen, der von den andern sunderlich gelahret und geschigkt sein werde, vor einen praeceptor der knaben gebraucht werden.“ – Als erste Pflicht legte Moritz dem Cantor auf, die Knaben gut im Zaume zu halten, daß sie sich mit dem Gesange fleißig nach dem Takte richteten, keiner zu langsam oder zu „risch“ wegsinge und alle vor dem einen Pulte und einem Notenbuche des Singens aufwarteten. Damit ferner die Kantorei durch ihre kunstreichen und lieblichen Motetten und Gesänge berühmt werde und die Knaben nicht immer dasselbe Lied (eandem cantilenam) absängen, mußte sie der Kapellmeister in seine Wohnung auf der Kundigergasse zur Uebung fordern und neue Lieder probiren. Confusion in der Kapelle oder in der Aufwartung bei Tafel sei unliebsam. Wenn dann die Zeit kam, zum Chor zu gehen, so mußte der Meister alle Cantores in der Hofstube versammeln und eine Viertelstunde vor der angeordneten Stunde in ehrbarer, züchtiger Weise mit ihnen in die Kirche wandeln, allda warten, bis die Herrschaften hinein kamen, und darauf in christlicher Andacht den Dienst versehen. Es ist sicher, daß durch die geforderte Sorgfalt auch eine schöne Klangwirkung erzielt wurde. Wir glauben es daher, wenn ein zeitgenössischer Dichter, Georg Pezold, ausruft:

Der Discantisten Stimmlein zart
Man höret nach engelischer art;
Coloraturen in dem Alt
Werden gemachet mannigfalt;
Anmuthig da auch der Tenor
Den andern Stimmen gehet vor;
Der Baß, des Gesanges Fundament,
Bald auf, bald sich herniederwend’t,
Kein Bär so tief mit seinem Brummen
Diesen Bassisten gleich kann kummen. –

Der Kapellmeister Walther überlebte seinen Fürsten, der ihn berufen hatte. In Betracht seines hohen Alters und seiner langen Dienste suchte er um Entlassung nach und erhielt sie durch Rescript vom 7. August 1554 unter Ertheilung von 60 fl. jährlicher Pension. Es ist merkwürdig, daß weder er noch sein Amtsnachfolger Matheus le Maistre die Gelegenheit benutzte, Moritz durch die Kunst zu verherrlichen. Das geschah erst von Seiten des berühmten Antonius Scandellus aus Brescia (geb. 1517), und zwar als dieser Künstler in der Kapelle sogenannter „welscher Instrumentist“ war. Denn erst unterm 12. Februar 1568 wurde er an le Maistre’s Stelle zum Kapellmeister berufen und stand diesem Amte bis zum Jahre 1580 vor, wo er starb. Scandellus war schon 1553 durch manche Kompositionen bekannt. Wir besitzen aus dieser Zeit allein 7 Motetten, deren Manuscripte zum Theil in Dresden, zum Theil in Pirna oder in Zwickau sich befinden. Auch wissen wir, daß er schon damals (also vor 1553) ein Officium de sancta Trinitate komponirt hatte, das zwar in dem Inventarium der kurfürstlichen Kapelle von Joh. Walther namentlich aufgeführt wird, das aber bis jetzt noch nicht wieder aufgefunden ist. Nachmals ist Scandellus durch viele Tonschöpfungen geistlichen, wie weltlichen Inhalts berühmt geworden; wir erinnern nur an die schönen „Nawen teutschen Liedlein, 4–5 vocum Nürnberg 1568“ (1578), mit dem entzückenden Wein- und Trinklied: „Der Wein, der schmeckt mir also wohl“ (vgl. Ambros-Kade: Geschichte der Musik. V. Nr. 52).

Von ihm nun rührt die Missa zu Ehren Moritzens her, die folgenden Titel trägt:

„Missa sex vocum super Epitaphium Illustrissimi
Principis ac Domini, Domini Mauricii
Ducis et Electoris Saxoniae etc., cujus
initium: Mauricius cecidit, bellax Germania
plange etc. ab Anthonio Scandello Italo composita.“

Sie besteht aus Sanctus, Pleni, Osanna, Agnus I, Benedictus, Agnus II. Sie findet sich in einem handschriftlichen Kodex im größten Landkartenformat in der Stadtkirche zu Pirna. Auf der Rückseite des Titelblattes stehen folgende lateinische Disticha von Georg Fabricius aus Chemnitz, die sich auf Moritzens Tod beziehen:

„Mauricius cecidit, bellax Germania plange
A missa imperii quanta columna tui.
In tua Mars armis cur impie viscera saevis?
Ecce tuum cecidit saeva per arma decus.
Mauricii tumulum cernens Germania plange
Pectore magnanimo non habitura parem.“

Dieser Prachtkodex ist von dem Pirnaer Stadtkinde Moritz Bauerbach (laut Verzeichnisses vom Jahre 1553 Kapellmitglied) zu Torgau im Jahre 1562 angefertigt worden, wie die auf der Rückseite des letzten Blattes befindliche Inschrift: „Torgae scribebat Mauricius Bauerbachius Pirnensis Anno 1562" ausdrücklich besagt. Die Messe war zwar schon im Jahre 1533 gedruckt erschienen, wie das Verzeichniß der Musikalien besonders angiebt, welches der pensionirte Kapellmeister Johann Walther 1553 aufsetzte, wo es unter andern heißt: „VI kleine gedruckte Partes (Stimmbücher) in grün pergament, darinnen das Epitaphium Electoris Mauricii Antonii Scandelli.“ Es hat bis jetzt aber nicht gelingen wollen, dieses Druckwerk irgendwo aufzufinden, weshalb das Pirnaer Manuskript von 1562 als Unikum zu betrachten ist. Mein Vater, Professor O. Kade-Schwerin, fand dasselbe im Jahre 1856. (Vgl. ehemalige „Constitutionelle Zeitung“, 10. Dezember

Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 1 (1892 bis 1896). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1892–1896, Seite 42. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Erster_Band.pdf/48&oldid=- (Version vom 1.5.2024)