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1856.) Was die Messe selbst betrifft, so liegt ihr ein scharf ausgeprägtes kurzes, aber höchst ergiebiges Motiv von nur 2 Takten zu Grunde, das durch dreimalige Wiederholung in verschiedener Tonlage zu einem Ganzen verbunden ist. Dasselbe kehrt bei allen Sätzen theils in allen Stimmen harmonisch und thematisch verarbeitet, theils nur in einer Stimme ausgeführt unausgesetzt wieder, wie das ja früher üblich war. Von dieser Anordnung ist nur das Crucifixus ausgenommen, das ganz frei erfunden ist. Das vorliegende Werk ist die erste größere Arbeit dieses außerordentlich talentvollen Meisters. (Bruchstücke daraus sind veröffentlicht nach der Partitur meines Vaters in dessen Musikbeilagen zu Ambros’ Musikgeschichte. Nr. 50.)

Erst 55 Jahre später nimmt ein anderer Musiker Gelegenheit, Moritz im Liede zu ehren. Es geschah dies durch Thomas Mancinus. Dieser Künstler ward 1550 in Schwerin in Mecklenburg geboren, war 1572-1580 Kantor an der Domschule daselbst, 1584 Kapellmusikus in der Hofkapelle zu Wolfenbüttel, 1587 Hofkapellmeister daselbst und daneben bis 1600 Bibliothekar der Herzogl. Bibliothek zu Wolfenbüttel, wo er 1612 starb. Daher kommt es auch, daß das betreffende Werk in der Wolfenbüttler Bibliothek liegt, aus der es jedoch trotz freundlicher Bitte nicht ausgeliehen wird, „wegen der großen Seltenheit der in dem Bande vorhandenen verschiedenen Stücke.“ Die Komposition ist betitelt:

Die Schlacht für Siuerßhausen:

Zu Ehren dem ... Herrn Henrico Julio, Postulirten Bischoff zu Halberstadt und Herzogen zu Braunschweig und Lüneburg etc. nach art der Schlacht für Pavia[1] mit 4 Stimmen Musice componiret Durch ... Jhrer F. G. unterthenigen Diener und alten[2] Capellmeister. Helmstadt, gedruckt durch Jacobum Lucium. 1608.

(Vgl. Die Handschriften nebst den älteren Druckwerken der Musikabtheilung der Herzogl. Bibliothek zu Wolfenbüttel. Beschrieben von E. Vogel. 1890. Heinemanns Katalog, Abtheilung VIII. Nr. 628. Nur im Alt vorhanden.)

Die Komposition ist freilich schon einige Jahre vor 1608 entstanden, vielleicht 1603 zur 50sten Wiederkehr des Todestages. Wenigstens deutet eine Stelle der Dedikation darauf hin: „Weil ich in editione Musicae divinae alle meine in E. F. G. diensten verfertigte Cantilenas harmonicas zu publiciren promittiret, als übersende ich E. F. G. hiermit .... auff diesmal die Schlacht für Sivershausen, welche auf E. F. G. gnedigs befehl ich für etzlichen Jahren mit 4 Stimmen auff die Art wie sie E. F. G. haben gerne hören wollen, componiret und neben der alten Schlacht für Pavia, auch andere von allerley arth diversorum Musicorum herrlichen Cantionibus an Lateinischer, Teutscher, Italianischer und frantzösischer Sprache für E. F. G. fürstlichen Tafel optimis cantoribus et instrumentis vielmalen musiciret ...

Das Stück besteht aus drei Theilen, doch kann ich selbst bislang nichts Genaueres angeben.


Zeitgenössische Aufzeichnungen
über die
Einführung der Reformation in Dresden

finden sich in einem Copialbuche des Rathes für die Jahre 1513 bis 1553, das nebst mehreren andern älteren Rathsakten bei der Abtretung der städtischen Gerichtsbarkeit an den Staat in das Amtsgerichtsarchiv gelangt war und erst neuerdings wieder an das Rathsarchiv zurückgegeben worden ist. Diese Aufzeichnungen rühren von der Hand des Dr. Martin Heußler her, der im Jahre 1539, wo das fragliche Ereigniß sich vollzog, Oberstadtschreiber und zugleich Rathsherr war, den Dingen also so nahe wie nur möglich stand. Im Wesentlichen bestätigen sie das, was neuere Forscher (G. Müller: Paul Lindenau, der erste evangelische Hofprediger in Dresden, Leipzig 1880, und F. Dibelius: die Einführung der Reformation in Dresden, Dresden 1889) über diesen Gegenstand festgestellt haben. Dennoch sind sie nicht ohne Wichtigkeit. In einigen Punkten war man bisher auf den Bericht in Weck’s Chronik Seite 308 angewiesen, die doch volle 140 Jahre später geschrieben ist. Eine Vergleichung des Weckschen Berichts mit unsern Aufzeichnungen ergiebt nun sowohl im Gange der Erzählung als vielfach auch im Wortlaute die vollständige Uebereinstimmung beider, und es unterliegt daher keinem Zweifel, daß uns hier die ursprüngliche Quelle Weck’s vorliegt. Nur hat Weck, abgesehen von Kleinigkeiten, einen wichtigen Satz ganz weggelassen, nämlich den, der sich auf die Mitwirkung des Hofpredigers Paul Lindenau bezieht, so daß man darüber bis jetzt im Unklaren geblieben ist. Aus diesem Satze aber geht hervor, daß der Rath Anfang Juni 1539 dem Paul Lindenau bis auf Weiteres das Pfarramt in aller Form übertrug und daß daher eigentlich nicht der am 27. Juni eingewiesene Johann Cellarius, sondern Lindenau als der erste, wenn auch nur interimistische, evangelische Pfarrer von Dresden zu betrachten ist.

Die Aufzeichnungen lauten:

„Dornstag nach quasimodogeniti anno uts. im XXXIX. als den XVII. tag aprilis ist hertzog


  1. Sog. Frundsbergslied.
  2. d. h. pensionirten
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 1 (1892 bis 1896). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1892–1896, Seite 43. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Erster_Band.pdf/49&oldid=- (Version vom 11.4.2024)