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Eine ganz andere Seite des mittelalterlichen Lebens berühren Einträge wie der folgende (B1. 9b):

Caspar Mulner hat bekant, das her die besserunge ufgenomen hat von synes bruders wegen, der em abegemort ist von Hans Gertener, IX ß XV gr. Desselben geldis VI schock ist geantwort Mertin Schefers wybe seligen, dorumne sy ouch dem kinde eynen garten zcu gute gekouft haben oben an der Kaczpach gelegen.... Domitte syn sie gericht und entsaczt, das sich Haus Gertener vortmer keyner vorderunge durffe besorgen.“

Es ist dies eine sogenannte Todschlagsühne, ein Vergleich zwischen dem Mörder und der Familie des Erschlagenen, wonach diese ihre Ansprüche an jenen gegen eine Bußezahlung fallen ließ: eine übrigens bis weit über das Mittelalter hinaus fortdauernde Einrichtung, in der eine Erinnerung an die Blutrache der Urzeit und das Wergeld der alten Volksrechte fortlebte.

So gewähren diese privatrechtlichen Einträge eine Fülle von Einblicken in das Kultur- und Rechtsleben der Vorzeit. Daneben aber wird der Lokalforscher noch manche Notiz für die geschichtliche Topographie der Stadt, für die Geschichte einzelner Bürgerfamilien u. dgl. aus ihnen zu ziehen vermögen. –

Neben solchen Einträgen finden sich nur sehr spärlich Vermerke über Geschäfte der städtischen Verwaltung; so fol. 56 einige Notizen über die leihweise Aufnahme von Geldern durch den Rath, über die Verwaltung von Mündelgeldern u. dgl. Eine baupolizeiliche Konzession enthält der folgende Eintrag (Bl. 40):

Lorencz Lubenicz der junger hat man irloubit ym rate am mittewoche des heiligen lichenams abunde syn czigildach hinder dem huse abeczunemen unde hat globit das ers yn eynem iare wider mit czigil zcudecken [wil].

Hans Kannegießer, der eine Scheune „vor der Ulingasse uff die lincke hant an der brugken“ besitzt, hat gelobt,

„den grabin, da die schune uf sted, reyne zcu haldin und zcu fegin, den unflat zcu furne durch sinen hoff mit sinen pfennyngen, alz digke daz not geschiet, vor sich und syne kindern“ (Bl. 54b).

Als Beispiel der „Urfehde“ eines Raubritters mag folgendes dienen (Bl. 54b):

Anno XIIIc quinto vigilia Georgii quam Nigkil von Cunradisdorff gesessen zcu Dytmardorff us dem gefengnis mit Nigkil Behemen sinem knechte und wart gefangin umbe name. Da hat vor yn globit Freder. von Rekenicz, Hannus von Cunradisdorff gesessen zcu Medegow, das er keine rache umbe die sache zcu der stad nach zcu den unsern in keinewis habin sulle. Ouch hat er dorobir gesworn.

Wichtiger noch sind die (meist auf den letzten Blättern vereinigten) Einträge allgemeineren Inhalts. Zwar sind die Urkunden, die sich hier in Abschriften finden, uns größtentheils schon nach den Originalen bekannt; so sind der auf dem vorderen Umschlag stehende Erbhuldigungsrevers der Stadt Dresden vom 29. August 1410 gedruckt im Cod. dipl. Sax. reg. II. 5, 124 (während der ebenda befindliche Revers, den die Landesherren am 27. August 1410 ihren Unterthanen ausstellten, noch unbekannt zu sein scheint), das Stadtrechtsprivileg für Altendresden vom 21. Dezember 1403, sowie die Mühlenordnung vom 24. November 1434 ebenda S. 110, 159, das Privileg des Kurfürsten Friedrich II. und des Herzogs Sigismund für die Landstände vom 9. April 1428 (die Abschrift fol. 51b hat kein Datum) in Hasches Magazin Bd. IV, S. 371 ff.

Weitere Stücke sind dagegen bisher unbekannt. So vor allem die wichtigste Eintragung, die unser Stadtbuch enthält: die auf Bl. 51 befindliche Schulordnung der Kreuzschule von circa 1413, die älteste sächsische Schulordnung, die uns überliefert ist, und unzweifelhaft das wichtigste Dokument zur mittelalterlichen Schulgeschichte Dresdens; ihren Wortlaut habe ich im Neuen Archiv f. Sächs. Gesch. Bd. XIII, S. 347 mitgetheilt. Ferner finden wir auf Bl. 32b eine etwa zwischen 1414 und 1424 niedergeschriebene Ordnung über das Mälzen und Brauen der Bürger, ausführlicher als die in der ältesten Rathswillkür enthaltenen Satzungen (Richter 1, S. 314, vgl. II, S. 250 ff.); Bl. 54 Rathswillküren über die Innungsordnungen der Schuster und Schneider, sowie Bl. 55 b der Böttcher, wohl aus der Zeit von 1424-1428; Bl. 54b ein Schreiben der Städte Budissin, Görlitz, Zittau, Löbau und Lauban an den Dresdner Rath wegen der Zollstraßen vom 30. April 1415 und im Anschlusse daran (Bl. 55) von etwas späterer Hand einen sehr ausführlichen Zolltarif; Bl. 56 die älteste bekannte Dresdner Achtsformel (eine spätere vom Jahre 1512 s. im Neuen Archiv f. Sächs. Gesch. Bd. XIII, S. 11, N. 40); Bl. 56b Willküren über die Taxe der Rathswaage, über das Geschoß, über den Lohn der 3 „Bläser“. Diese letzte Notiz lautet folgendermaßen:

Nota man gebit den blesern yrre dryen iczlichem alle iar XVI gr., das sie der großen orgeln mit flise warten sullen, und blasen zcu desin nachgeschrebin festen: nativitatis domini III tag, circumcisionis, epiphanie, purisicacionis Marie, annunciacionis, pasche III tage, invencionis crucis, ascensionis, penthecostes III tage, trinitatis, corporis Christi, Johannis, dedicacionis, visitacionis Marie, Jacobi, assumpcionis, nativitatis Marie, exaltacionis sancte crucis, Michaelis, omnium sanctorum, concepcionis Marie, Nicolai, Barbare.

Neben dem liturgischen Interesse, das diese Nachricht gewährt, ist sie auch deshalb beachtenswerth, weil sie beweist, daß es im Mittelalter bereits Stadtmusikanten in Dresden gegeben hat, was bisher bezweifelt wurde (vgl. Richter I, S. 143).

So bietet das Dresdner Stadtbuch von 1404 der lokalen Geschichtsforschung eine ganze Reihe willkommener Nachrichten, die sich bei genauerer Durchsicht wahrscheinlich noch vermehren werden.

Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 1 (1892 bis 1896). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1892–1896, Seite 48. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Erster_Band.pdf/54&oldid=- (Version vom 31.3.2024)