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gezogenen deutschen Ansiedler dem Christenthum und allmählich auch dem Deutschthum zugeführt. Eine solche Wandlung hat auch das sorbische Dorf Dresden durchzumachen gehabt. Ich sage das Dorf, denn an eine Stadt Dresden ist in jener Zeit noch nicht zu denken. Der Sage nach soll die Stadt von dem auf dem rechten Elbufer liegenden Dorfe aus gegründet worden sein. Damit geht die Sage sicher zu weit, aber soviel dürfte daran Wahres sein, daß das rechtselbische Dresden das ursprüngliche Dorf gewesen ist. Von da aus mögen dann einzelne Einwohner auf das linke Elbufer übergesiedelt sein, ohne aus dem Verbande des rechtselbischen Dorfes auszuscheiden. So bildeten die Ansiedelungen auf beiden Ufern ein einziges Gemeinwesen mit gemeinschaftlichem Namen. Noch im 14. Jahrhundert wird in Urkunden auch die Vorstadt um die Frauenkirche herum als Altendresden bezeichnet, während sich dieser Name bald nachher auf den rechtselbischen Ort einschränkte. Vielleicht ist der Dorftheil auf unserer Seite nicht vor dem 10. Jahrhundert entstanden, nachdem bereits das Christenthum hier Wurzel gefaßt hatte, vielleicht hat sogar erst die Erbauung einer Kirche, der Frauenkirche, zu Ansiedelungen da herum den Anlaß gegeben.

Für die Zeit der Erbauung dieser Kirche giebt uns einen gewissen Anhalt der Name eines Dorfes, Poppitz, das sich an der Stelle befand, wo noch heute in der Wilsdruffer Vorstadt ein Platz als „Poppitz“ bezeichnet wird. Dieses Dorf war dem Dresdner Pfarrer bis zur Reformation zinspflichtig und gerichtsunterthan, auch besaß die Pfarre hier ihre Aecker. Der Name Poppitz ist vom slawischen pop, Priester, abzuleiten und bedeutet also die Priesterleute, die Pfarrleute, oder freier ausgedrückt: Pfaffenhof. Wenn dieses dem Pfarrer zu seinem Einkommen zugewiesene Dorf in slawischer Sprache benannt wurde, so geht daraus hervor, daß die Ausstattung der Pfarre bereits zu einer Zeit erfolgte, wo die Bevölkerung dieser Gegend noch ganz überwiegend slawisch war, also wohl nicht sehr lange nach der Eroberung des Landes, vielleicht im 10. oder 11. Jahrhundert. Ein so hohes Alter werden wir also auch der Frauenkirche zuschreiben dürfen.

Bei alledem handelt es sich immer nur um ein Dorf Dresden, bestehend aus zwei Hälften rechts und links der Elbe. Wie aber ist daraus eine Stadt geworden? Nun, aus dem Dorfe Dresden ist die Stadt Dresden eigentlich gar nicht entstanden, sondern neben dem Dorfe. Die alten Stadtmauern bildeten annähernd ein Fünfeck, an dessen Ecken die fünf Stadtthore standen, nämlich am Ende der Schloßgasse, Frauengasse, Kreuzgasse, Seegasse und Wilsdruffer Gasse. Die ganze alte Dorfanlage an der Elbe mit der Frauenkirche lag somit außerhalb der Stadtmauern; diese Lage der städtischen Pfarrkirche ist nur erklärlich, wenn man annimmt, daß sie bereits vor der Gründung der Stadt bestanden hat und daß die Bodenverhältnisse es verhindert haben, sie und ihre Umgebung in die Mauern mit einzuschließen. Noch im 14. Jahrhundert befand sich vor dem Frauenthore ein nur theilweise ausgetrockneter See; wahrscheinlich lag die ganze Fläche viel tiefer als jetzt und war häufigen Ueberschwemmungen ausgesetzt.

Schon ein flüchtiger Blick auf den Grundriß der Stadt, dessen Kenntniß ich ja wohl bei Ihnen voraussetzen darf, giebt einige Aufklärung über die Art ihrer Entstehung. Dieser Grundriß ist von jeher derselbe gewesen, wie er sich in der innern Altstadt noch heute darstellt: in der Mitte der Markt, von ihm nach Norden und Süden je zwei, nach Osten und Westen je drei Gassen rechtwinklig auslaufend, außerdem einige auf die Nord–Süd–Linie rechtwinklig aufstoßende Seitengassen. Eine Stadt von solcher Regelmäßigkeit der Anlage kann nicht, wie manche andere, aus einem Dorfe erwachsen sein, das sich etwa durch das Hinzutreten neuer Ansiedler allmählich erweiterte durch seine Lage und die Zahl seiner Bewohner eine Bedeutung für Handel und Verkehr gewann, einen Markt einrichtete, Marktrecht und Stadtrecht vom Landesherrn erhielt und sich mit Mauern umgab. Dresden ist vielmehr nach einem vorher festgestellten Plane begründet, in welchem das ursprüngliche Dorf keinen Platz fand. Doch ging dessen Name auf die Stadt mit über und diese wurde im Gegensatze zu dem alten Dorfe als Neudresden bezeichnet.

Die Urheber einer solchen planmäßigen Stadtgründung können nur die Markgrafen gewesen sein, die das Land hier im Besitz hatten und denen allein die Mittel zu einem solchen Unternehmen zu Gebote standen. Sie hatten ja den Vortheil davon, wenn sich ihr Land mit Menschen füllte und wüster Boden urbar gemacht wurde, denn von den Ländereien, die sie vergaben, erhielten sie nun Zins, während sie ihnen bisher nichts eingebracht hatten. Wie der Gründer, so waren auch die herbeigezogenen Ansiedler Deutsche; war doch die Stadt nachher mit Magdeburgischem, also deutschem Rechte bewidmet, was unbedingt eine deutsche Bürgerschaft voraussetzte. Dresden ist somit, trotz seines slawischen Namens, eine rein deutsche Stadtgründung.

Auf die Wahl des Platzes war es gewiß nicht ohne Einfluß, daß er nach mehreren Seiten hin schon einen natürlichen Schutz in den erwähnten Teichen oder Seen besaß, die sich, ursprünglich vielleicht einen ununterbrochenen Gürtel bildend, von der Gegend des jetzigen Postplatzes bei der Marienstraße und Waisenhausstraße herum bis zur Moritzstraße hin zogen und wovon sich bis in unser Jahrhundert als Reste der

Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 1 (1892 bis 1896). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1892–1896, Seite 3. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Erster_Band.pdf/7&oldid=- (Version vom 23.4.2024)