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sogenannte See bei der jetzigen Straße „Am See“ und der Jüdenteich auf dem heutigen Georgplatze erhalten hatten. Bestimmend für die Anlage der Stadt an dieser Stelle war aber wohl die Absicht, hier einen Knotenpunkt für den sich anbahnenden Handelsverkehr zwischen dem Westen und Osten zu schaffen, der hier seinen Uebergang über die Elbe nehmen sollte, eine Absicht, die gänzlich fehlschlug, da dieser Verkehr den bequemeren Weg durch das weiter nördlich beginnende Tiefland einschlug. Wahrscheinlich verband damals eine Fähre – nur nicht trasi genannt! – die beiden Dorfhälften. Denn die Annahme, daß die Elbbrücke schon vor der Stadt oder wenigstens vor der Burg Dresden bestanden habe, muß als ausgeschlossen gelten. Der Einwohnerschaft eines armseligen Dorfes wäre es allein doch unmöglich gewesen, mit ihren geringen Hilfsmitteln ein solches Bauwerk, das nicht selten der Beschädigung oder gar der Zerstörung durch Wasserfluthen und Eisgang ausgesetzt war, im Stande zu erhalten, und ebensowenig ließ sich diese bauliche Unterhaltung von fernher bewerkstelligen. Die Brücke muß also später oder frühestens gleichzeitig mit der Stadt gebaut worden sein, und zwar gewiß zunächst von Holz. Als dann die Gemahlin Heinrichs des Erlauchten ein angebliches Stück vom Kreuze Christi mitgebracht hatte und durch Ausstellung dieser wunderthätigen Reliquie in der Nikolaikapelle, der späteren Kreuzkirche, ein lebhaftes Zuströmen der Gläubigen aus der ganzen Umgegend stattfand, mußte die Kirche ein großes Interesse daran haben, daß dieser einträgliche Verkehr nicht durch die leicht möglichen Beschädigungen der hölzernen Brücke unterbrochen werde, und so hat vielleicht die Kirche aus ihren reichen Opferpfennigen für Erbauung und Unterhaltung einer steinernen Brücke gesorgt, womit sich der spätere enge Zusammenhang des Kreuzkirchenvermögens mit der Brücke im sogenannten Brückenamte wohl am ungezwungensten erklären würde. Ich möchte hierbei dem vielverbreiteten Irrthume entgegentreten, als ob die Brücke von den Burggrafen von Dohna erbaut worden sei. Der Zoll, den diese übrigens nicht auf der Brücke, sondern an ihrem Ende in Altendresden erheben ließen, ist nur fälschlich als Brückenzoll bezeichnet worden; er war in Wirklichkeit ein Straßenzoll für Benutzung der Straße von Dresden nach Königsbrück, auf welcher ihnen, und zwar erst seit dem 15. Jahrhundert, als Besitzern der Herrschaft Königsbrück das Geleitsrecht zustand. Von einer Mitwirkung der Dohnaischen Grafen bei dem Baue oder der Unterhaltung der Brücke ist niemals die Rede gewesen.

Als den ältesten bebauten Theil der Stadt bezeichnet die Sage den Taschenberg. Man wird dies als richtig zugeben können. Denn sicher ist zuerst die markgräfliche Burg erbaut worden, ungefähr an der Stelle des westlichen Flügels des jetzigen Schlosses. Von hier aus wurde die Anlage der Stadt geleitet, etwa in folgender Weise. Zunächst legten die markgräflichen Beamten den Stadtplan fest, indem sie die Straßen absteckten und die Befestigungslinie bestimmten. Den Kaufleuten und Handwerkern, die sich hier niederlassen wollten, wurden gewisse Vortheile, insbesondere Steuerfreiheit auf längere Zeit, in Aussicht gestellt und dies im Lande ausgerufen. Die neuen Ansiedler erhielten zur Errichtung ihrer Wohnstätten Bauplätze in den abgesteckten Straßen angewiesen, und zwar unentgeltlich und nur gegen einen ganz geringen an den Markgrafen als bisherigen Eigenthümer des Grund und Bodens zu zahlenden Zins, den sogenannten Worf- oder Gatterzins, der später an den Rath überging und von diesem zum Geschoß geschlagen wurde. Diesen ersten Ansiedlern mußte natürlich die Burg als Schutz dienen, so lange die Stadtbefestigung noch nicht durchgeführt war.

Das Dorf Dresden hatte schon Jahrhunderte hindurch bestanden, ehe sein Name in Urkunden zum ersten Male genannt wird. Dies geschieht im Jahre 1206, wo Markgraf Dietrich einen Grenzstreit zwischen dem Meißner Bischof und den Burggrafen von Dohna hier schlichtet. Es ist nicht anzunehmen, daß der Markgraf eine solche Verhandlung zwischen zwei mächtigen Nachbarn, die doch ein angemessenes äußeres Auftreten des Schiedsrichters erforderte, in dem einfachen Dorfe Dresden abgehalten hätte, wenn er nicht bereits eine Burg hier besaß. Zehn Jahre später, in einer Urkunde von 1216, wird Dresden ausdrücklich als Stadt bezeichnet. Trotz der Seltenheit schriftlicher Zeugnisse aus jener Zeit wäre es andrerseits zu verwundern, wenn eine Burg und Stadt von der Bedeutung, daß sie schon von dem nächsten Markgrafen zur dauernden Residenz erwählt wurde, nicht bereits früher einmal erwähnt worden wäre, wenn sie früher überhaupt bestanden hätte. Man wird deshalb kaum fehlgehen, wenn man annimmt, daß die Burg Dresden nicht lange vor 1206 und die Stadt erst um 1216 vollendet und daß sonach Markgraf Dietrich der Bedrängte, der zuerst hier urkundet, als ihr Erbauer zu betrachten sei.

Lassen Sie uns nun zunächst einen Blick auf das Aeußere der so entstandenen Stadt werfen! Die anfänglichen Befestigungen waren gewiß von der einfachsten Art: eine Mauer von mäßiger Höhe, davor ein Graben, der aus dem umliegenden Seengürtel mit Wasser gespeist wurde. Immerhin war eine solche Stadtbefestigung ein gewaltiges Werk, das sich erst innerhalb vieler Jahrzehnte und unter den größten Opfern seiten des Landesherrn und der Bürgerschaft

Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 1 (1892 bis 1896). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1892–1896, Seite 4. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Erster_Band.pdf/8&oldid=- (Version vom 23.4.2024)