Seite:Dresdner Geschichtsblätter Erster Band.pdf/9

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

zu Stande bringen ließ und das dann im Verlauf der Jahrhunderte fortwährender Arbeit bedurfte, wenn es den Fortschritten der Kriegführung gewachsen bleiben sollte. Eine gründliche Verstärkung der Stadtmauern und Vertiefung des Grabens erfolgte im 14. Jahrhundert, im 15. wurde ringsherum eine vorgeschobene Befestigung mit einer zweiten Mauer, der sogenannte Zwinger, angelegt und die Ringmauer durch zahlreiche Thürme, mindestens 13, verstärkt, im 16. Jahrhundert erfuhren die Festungswerke wieder einen vollständigen Umbau, indem die Stadtmauer ganz niedergelegt und an ihrer Stelle ein System mächtiger Steinwälle mit Basteien und Schanzen aufgeführt wurde, wie es dann im Wesentlichen bis in unser Jahrhundert hinein bestehen geblieben ist. Eine starke Festung war Dresden schon frühzeitig. Weder die Hussiten im 15. noch die Schweden im 17. Jahrhundert haben auch nur den Versuch gemacht, sie zu belagern, und die Beschießungen der Stadt durch Kurfürst Johann Friedrich im Jahre 1547 und durch Friedrich den Großen im Jahre 1760 haben sie nicht zur Uebergabe zu zwingen vermocht. Mit Gewalt ist unsere Stadt nur ein einziges Mal genommen worden, als sie wohl noch ihre ursprüngliche schwächere Befestigung hatte, nämlich im Jahre 1315 durch die Brandenburger, die das Wilsdruffer Thor erstürmten und die thüringische Mannschaft Markgraf Friedrichs des Freidigen aus der Stadt hinausschlugen. Die stärksten Theile der Befestigung bildeten die fünf Stadtthore, jedes mit einem thurmartigen Thorhause, in welchem der Thorwächter wohnte, überbaut, von wo aus eine Zugbrücke über den Stadtgraben führte.

So mag die Umfassung der Stadt, die Mauer mit ihren Zinnen und Thürmen, Thoren, Brücken und Bollwerken, im Mittelalter immerhin ein malerisches Aussehen gehabt haben, wogegen es ihr im Innern noch sehr an hervorragenden Bauwerken mit hohen Giebeln und Thürmen fehlte.

Begeben wir uns nun durch eins der Stadtthore geraden Wegs in den Mittelpunkt der Stadt, auf den Markt, so sind wir überrascht von den bedeutenden Größenverhältnissen des Platzes, wie sie in diesen Abmessungen selbst in den uralten großen Reichsstädten selten vorzukommen pflegen. Mußte man doch bei der Anlage von Städten überall darauf bedacht sein, den Raum zu sparen und die Verkehrswege auf das nothwendigste Maß einzuschränken, um nicht die Ringmauer eine zu große Ausdehnung gewinnen zu lassen und ihre Vertheidigung dadurch zu erschweren. Wenn der Markgraf hier trotzdem einen so großen Marktplatz hatte anlegen lassen, so kann dies nur in der Absicht geschehen sein, die Stadt zum Mittelpunkt eines bedeutenden Handelsverkehrs zu machen, ihr also eine Rolle zuzuweisen, die sie in der Folge nicht zu spielen vermocht hat. Der Markt mußte in jener Zeit noch größer erscheinen als jetzt, da die ihn umgebenden Häuser damals durchgängig viel niedriger waren. Freilich boten sich dem freien Ueberblick auch mancherlei Hindernisse. Vor den Häusern zwischen Schössergassen- und Schloßgassen-Ecke stand frei auf dem Markte das Kaufhaus, in welchem die werthvollen Waaren, namentlich Stoffe und Pelzwerk, zum Verkauf ausgelegt waren und das später, als die Stadt aus der Verwaltung eines markgräflichen Vogtes in die eines eignen Stadtraths überging, zugleich als Rathhaus dienen mußte. Um das Kauf- und Rathhaus herum lagerten sich Lauben, Bänke und Buden zum Feilhalten von allerhand Waaren, davor standen die Schranken des Stadtgerichts, das seine Sitzungen noch auf freiem Markte abhielt, daneben der Pranger zur Vollstreckung der Leibesstrafen, sowie an den Ecken mehrere Laufbrunnen. Die Benennung dieses Platzes als Markt, oder, wie man oft auch sagte, „Ring“ ist so alt wie die Stadt selbst. Das Wort Markt bezeichnet sowohl den Handelsverkehr als den Handelsplatz. Beide waren das erste Erforderniß einer Stadt; denn erst der freie Verkehr auf dem Markte, das ihn regelnde Marktrecht und das daraus sich entwickelnde Stadtrecht machten den Ort zur Stadt. Der Verkehrsraum der Stadt bestand aus dem Markte und den Gassen, und wie diese dann zur Unterscheidung einzelne Namen beigelegt erhielten, so gebrauchte man auch für einzelne Theile des Marktes gewisse Benennungen. Der Platz vor den am Rathhause befindlichen Schuhbänken hieß der Schuhmarkt, die Gegend am Eingange der Badergasse, wo der Holzhandel stattfand, die Holzecke und in späterer Zeit der Fischmarkt, die Ecke an der jetzigen Löwenapotheke, wo die Vogelhändler saßen, die Vogelecke u. s. w.

Wenn wir nun den einzelnen Straßen und ihren Namen nachgehen, so wäre es ganz verfehlt zu glauben, daß man bei der Gründung der Stadt solche Namen, wie es jetzt geschieht, amtlich bestimmt habe, etwa gar so, daß der markgräfliche Vogt einen Maler mit dem Farbentopfe herumschickte, um an den Eckhäusern die Namen fein säuberlich weiß auf blau anzumalen! Solche Straßenschilder sind überall erst eine Erfindung der Neuzeit und hier im Jahre 1803 eingeführt worden. Ebenso gehört, mit wenigen Ausnahmen, die Bezeichnung der innenstädtischen Verkehrswege als „Straßen“ statt „Gassen“ erst unserm Jahrhundert an. In älterer Zeit verstand man unter Straßen fast nur das, was wir jetzt Landstraßen nennen. Warum man die Straße für etwas Vornehmeres hält als die Gasse, ist mir immer unerfindlich gewesen, es müßte denn sein, weil sie fremdländischer Herkunft, vom lateinischen strata

Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 1 (1892 bis 1896). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1892–1896, Seite 5. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Erster_Band.pdf/9&oldid=- (Version vom 24.4.2024)