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II. Jahrgang          1893          Nr. 3.


Von diesen Blättern erscheinen jährlich 4 Nummern von 1 bis 2 Bogen. Bestellpreis für den Jahrgang 3 Mark. Die Vereinsmitglieder erhalten die Blätter unentgeltlich zugesandt.


Die Letzte des altsächsischen Geschlechtes
von der Sahla.
Von
Oberjustizrath a. D. von Göphardt.

Fast 98 Jahre alt, ist in unsrer Stadt im Monat Juni 1891 Fräulein Henriette Magdalene von der Sahla aus dem Leben geschieden; obwohl nicht hier geboren, darf sie doch als Dresdnerin in Anspruch genommen werden, da sie während der letzten 37 Jahre ihres Lebens ohne Unterbrechung Bewohnerin unsrer Stadt gewesen ist.

Ihre dem deutschen Uradel angehörende Familie, deren Traditionen bis in die Zeit der Kreuzzüge zurückreichen, kommt urkundlich von Anfang des 13. Jahrhunderts an in Thüringen und von der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts an im Meißnischen vor. Zur Zeit der Trennung der Ernestinischen und der Albertinischen Linie des Wettiner Fürstenhauses (1485) waren die von der Sahla schon auf Schönfeld und auf anderen Gütern „in der Pflege zum Hayn“ (Großenhain) seßhaft und viele von ihnen haben seitdem ihren Landesherren mit Auszeichnung gedient.

Fräulein Henriette Magdalene von der Sahla war der letzte Sproß dieses alten Stammes.

Nimmt dieser Umstand schon ein allgemeineres Interesse in Anspruch, so wird dasselbe verstärkt durch die edle, liebenswerthe und durch und durch originale Persönlichkeit der Verstorbenen.

Sie war das zweite Kind und die einzige Tochter Christoph Augusts v. d. Sahla auf Ober- und Mittel-Sohland a. d. Spree (Oberlausitz) und seiner Gemahlin Ernestine geb. von Burgsdorff, einer Tochter des Präsidenten des kursächsischen Oberconsistoriums und nachmaligen Conferenzministers Christoph Gottlob von Burgsdorff in Dresden, welcher vordem, bis 1788, über zwanzig Jahre lang mit dem Wohnsitze in Eisleben, die Sequestration der Grafschaft Mansfeld ebenso geschickt als für die Bevölkerung segensreich geleitet hatte.

Christoph August v. d. Sahla, ein hochgebildeter Mann, geboren den 17. Juni 1749, hatte nach dem Besuche der damals zu Kamenz i. S. bestandenen Gelehrtenschule zu Ostern 1769 die Universität bezogen,[1] sodann große Reisen unternommen und war dem Illuminaten-Orden [2]beigetreten. Die väterlichen Güter Ober- und Mittel-Sohland a. d. Spree besaß er zufolge Erb-Recesses vom 12. September 1772, confirmirt den 30. September 1774. [3] Mit Freiherr von Knigge, dem bekannten fruchtbaren Schriftsteller, und mit Lavater in der Schweiz, welchen Beiden er während seiner Lehr- und Wanderjahre freundschaftlich nahegetreten war, stand er auch später noch lange in Briefwechsel;


  1. Aus einem Kamenzer Schulprogramm v. 12. April 1769. Vgl. Lausitzisches Magazin v. J. 1769 S. 123.
  2. Der 1776 zu Ingolstadt gestiftete Illuminaten-Orden, welcher in seiner kurzen Blüthezeit mehr als zweitausend der gebildetsten Männer hauptsächlich Süddeutschlands umfaßte, sollte eine heilige Legion unüberwindlicher Streiter für Weisheit und Tugend bilden, die Vernunft zur Herrschaft bringen und religiöse und politische Aufklärung befördern, wurde aber, als für Kirche und Staat gefährlich, bereits 1784 vom Kurfürsten von Bayern aufgelöst.
  3. Aus Lehnsakten des Kgl. Amtsgerichts zu Bautzen (vormals Lehnhof).
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 1 (1892 bis 1896). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1892–1896, Seite 77. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Erster_Band.pdf/84&oldid=- (Version vom 28.4.2024)