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auch mit verschiedenen anderen interessanten Persönlichkeiten pflegte er Beziehungen, welche anregend auf ihn wirkten; und doch fehlte es ihm an wirklicher innerer Befriedigung. Da machte er von Sohland aus die Bekanntschaft des aus der Schweiz stammenden Herrnhuter Arztes Dr. Kaufmann, eines Mannes von mannigfachen Lebenserfahrungen und nicht gewöhnlicher geistiger Bedeutung, welcher einen großen Einfluß auf sein inneres Leben in religiöser Beziehung gewann. August v. d. Sahla hielt sich nun zu der Herrnhuter Brüdergemeinde und ward hierdurch mit der schon genannten Familie von Burgsdorff bekannt, welche von Dresden aus in innigen Beziehungen zu Herrnhut stand. Am 16. Januar 1791 fand in Dresden die Vermählung des 42 jährigen v. d. Sahla mit der 22 jährigen Ernestine von Burgsdorff statt. Während ihres nur elfjährigen, aber sehr glücklichen Ehestandes lebten die Gatten zur Sommerzeit in Mittel-Sohland, wo das Herrenhaus steht, die übrige Zeit des Jahres bald in traulichem Verkehre mit den Eltern der Frau v. d. Sahla in Dresden, bald in Herrnhut. In Herrnhut ward am 6. Oktober 1795 Henriette geboren.

Acht Jahre später, im Herbste 1801, traf die Familie das Verhängniß, daß Herr v. d. Sahla schwer erkrankte und infolge eines dazugekommenen Schlaganfalls gelähmt wurde. Da die maßlos schlechten Landwege eine schnelle Erlangung ärztlicher Hülfe unmöglich machten, so siedelte die Familie nach Dresden über, wohin der Kranke nicht ohne große Beschwerde in einer Sänfte getragen wurde. Hier, in dem Hause Nr. 1 der kleinen Schießgasse (damals Nr. 664), vollendete er bereits am 13. Januar 1802, noch nicht 53 Jahre alt, und wurde auf dem Eliasfriedhofe beigesetzt.[1]

Die Güter Ober- und Mittel-Sohland a. d. Spree fielen dem elfjährigen Sohne Ernst Christoph August zu, für welchen sie vormundschaftlich verwaltet wurden.

Die Heimstätte der Familie blieb Sohland; zur Winterszeit jedoch wurde, so lange die Eltern der in ihrem 33. Lebensjahre verwittweten Frau v. d. Sahla sich am Leben befanden, mit Vorliebe Dresden, dann von 1807 an das geliebte Herrnhut aufgesucht. In dem Gottesfrieden, von welchem die Brüdergemeinde durchdrungen war, fanden die beiden Frauen, Mutter und Tochter (der Sohn war seiner Studien halber auswärts), Erholung von der Unruhe, den Sorgen und dem Ungemache verschiedenster Art, als den Gefolgschaften der damaligen Napoleonischen Zeit.

Das Frühjahr 1813 brachte Henriette v. d. Sahla infolge des Krieges ein kleines Erlebnis freundlicher und nicht uninteressanter Art, dessen sie später noch oft und gern sich erinnerte. Es war die Zeit des Durchmarsches der dem Frankenkaiser entgegenrückenden russischen Heeresmassen durch die Oberlausitz. Die beiden Damen befanden sich in Herrnhut, als in der 11. Vormittagsstunde des 21. April 1813 Frau v. d. Sahla, durch Pferdegetrappel und Wagengerassel an das Fenster ihrer Wohnung gelockt, in einem vorbeifahrenden offenen Gefährte die imponirende Gestalt des Kaisers Alexander I. von Rußland erkannte, welchen sie im November 1805 in Dresden gesehen hatte, wo er damals drei Tage lang weilte, als er, von Potsdam kommend, sich auf dem Wege befand, zu seinen in Mähren stehenden Truppen zurückzukehren. Jetzt war er (was wenig bekannt sein dürfte) aus seinem derzeitigen Hauptquartiere, dem Schlosse Mengelsdorf bei Reichenbach O.-L., ganz allein und unverhofft, von einem reitenden Bauer geführt, in Herrnhut eingetroffen, um, wie er den im dasigen sogenannten Herrschaftshause ihm aufwartenden Vorständen, Predigern und sonstigen Notabilitäten mittheilte, den Hauptort der Brüder-Unität kennen zu lernen, da eine Kolonie derselben (Sarepta) auch in seinem Reiche sich befinde, für welche er sich interessire. Er besuchte das Brüder- und das Schwesternhaus, den Betsaal und die weltbekannte Handlung von Abraham Dürninger & Co., welche (seit 1747) noch jetzt besteht.

Dem Schwesternhause, einer Anstalt, in welcher unverheirathete Herrnhuterinnen der verschiedensten Altersstufen nach einer bestimmten Ordnung zusammenleben, stand damals als „Pflegerin“, d. h. als geistige Leiterin, eine Comtesse Einsiedel vor. Auch sie hatte dem Kaiser mit aufgewartet und Alexander I. hatte mit ihr alsbald einen angenehmen Berührungspunkt gefunden durch die Gemeinsamkeit der Bekanntschaft mit der geistreichen und berühmten kurländischen Baronin Juliane von Krüdener, geb. Freiin von Vietinghoff. Der Kaiser hatte zugesagt, in der Wohnung der Gräfin Einsiedel im Schwesternhause eine Erfrischung annehmen zu wollen. Hierzu war eiligst auch Frau v. d. Sahla eingeladen worden, welche sich jedoch entschuldigen ließ. Die lebhafte 19jährige Henriette aber konnte unmöglich die günstige Gelegenheit vorübergehen lassen, den Gründer der heiligen Alliance in Person zu sehen, und schloß sich deshalb der Schaar der Schwestern an, welche auf dem Korridor des Schwesternhauses zu huldigender Begrüßung des Kaisers Aufstellung genommen hatten. Fräulein v. d. Sahla, welche schon wegen ihrer, von der gleichförmigen Tracht der Herrnhuterinnen abweichenden modischen Kleidung, mehr wohl aber noch durch die anmuthige Vornehmheit ihrer ehrerbietungsvollen Verbeugung die Aufmerksamkeit des vorüberschreitenden Kaisers erregt hatte, wurde in das Empfangszimmer beschieden, während die Schwestern außerhalb einen Festgesang ertönen ließen. Alexander I. kam der


  1. Nr. 45 des Sterberegisters der Kreuzkirche zu Dresden v. J. 1802, mit dem Beisatze: „Das Lauten ist bezahlt, aber nicht gelautet worden.“
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 1 (1892 bis 1896). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1892–1896, Seite 78. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Erster_Band.pdf/85&oldid=- (Version vom 28.4.2024)