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ihnen von liebenswürdiger Gastfreundschaft in einem behaglichen und anregenden Kreise geboten wurden, innerhalb dessen Henriette v. d. Sahla nicht nur als erfahrene und fürsorgliche Leiterin eines ziemlich großen Hauswesens waltete, sondern auch mit der Harmonie ihres beweglichen Geistes und ihres reichen Gemüthes, mit ihrer tiefen Religiosität auf der einen und dem schalkhaften Humor auf der andern Seite, ungesucht den geistigen Mittelpunkt bildete.

Bei solchen Eigenschaften konnte es nicht fehlen, daß sie als Gutsherrin die allgemeinste Liebe und Verehrung sich erwarb.

In das erste Jahrzehnt ihrer Besitzzeit fällt die Erbauung eines neuen Gotteshauses, an der Stelle des zu diesem Zwecke im Jahre 1823 abgetragenen alten Kirchengebäudes, auf einer aussichtsreichen Höhe in Mittel-Sohland gelegen. War dieser binnen 5/4 Jahren zu Ende geführte Kirchenbau von ihr, als der Mitpatronin, schon wesentlich gefördert worden, so stattete sie, aus Anlaß der am 18. Oktober 1824 erfolgten Weihe, den Altar und die Kirche mit Krucifix [1] und verschiedenen Schmuckgegenständen neu aus.

Ferner schenkte sie der Gemeinde Ober-Sohland aus eigener Bewegung 11/2 Scheffel Land, erbaute darauf aus ihren Mitteln ein Schulhaus, ließ ein freundliches Gärtchen dabei anlegen, versah die Schule mit allen Lehrmitteln und wies auch für die Zukunft aus ihren Waldungen das nöthige Brennholz für Schulzimmer und Lehrerwohnung, außerdem aber eine alljährlich zahlbare Summe an, um damit das Schulgeld für arme Kinder zu decken. Auch eine Näh- und Strickschule für kleine und größere Mädchen unterhielt sie auf dem Hofe zu Mittel-Sohland und leitete dieselbe persönlich.[2]

So ist es erklärlich, daß das unruhige Jahr 1848, in welchem vielen Gutsbesitzern unfreiwillige Verzichte auf wohlerworbene Vermögens- und andere Rechte abgenöthigt wurden, in Mittel und Ober-Sohland a. d. Spree ohne aufregende Ereignisse und ohne Störung des Friedens zwischen Gutsherrschaft und Gemeinde verlaufen konnte.

Neununddreißig Jahre lang hat dort dieses wahre Edelfräulein als Herrin gewaltet. Mit welch’ segensreichen Erfolgen die Letzte des alten Geschlechtes derer von der Sahla die Belebung des religiösen Sinnes und die Ausbreitung von Bildung, Zucht und Sitte gefördert und als thatkräftige, man darf sagen als aufopferungsvolle Freundin, Beratherin und Wohlthäterin der Nothleidenden aller Art gewirkt hat, das ist, nach mir vorliegenden glaubwürdigen Zeugnissen, noch jetzt, nach weiteren neununddreißig Jahren, unvergessen in Ober- und Mittel-Sohland a. d. Spree.

Im Frühjahre 1854 entschloß sich Fräulein Henriette, damals im 61. Lebensjahre stehend, wenn auch nicht ganz leichten Herzens, zum Verkaufe der beiden Güter, welche, mit einigen kleinen Unterbrechungen, 186 Jahre lang im Besitze ihrer Familie sich befunden hatten.

Aber auch nach diesem bedeutungsvollen Wendepunkte ihres Lebens stand sie, wie hier sogleich eingeschaltet werden mag, bis an ihren Tod mit Bewohnern jener beiden Dörfer in freundlichen Beziehungen – und von Beweisen ihres Wohlwollens und ihrer Güte gegen Viele derselben wäre Manches zu berichten.

Bei Gelegenheit des Gutsverkaufs trat Fräulein v. d. Sahla eine Galerie von Ahnenbildern an eine ihr anverwandte Familie ab, welche früher bereits durch Heirath in den Besitz des ältesten Sahla’schen Stammsizes, des Rittergutes Schönfeld bei Großenhain, gelangt war; denn sie meinte, daß da, wo jene Vorfahren ehedem vorzugsweise gelebt, die passendste Stätte sei für die Aufbewahrung der Bildnisse derselben. In dem Schlosse zu Schönfeld befindet sich diese Ahnen-Galerie auch jetzt noch. –

Kurz nachdem sie das liebe Sohland verlassen, ward Henriette v. d. Sahla durch einen, ihr Herz in seiner ganzen Tiefe erschütternden Schmerz niedergebeugt. Ihre edle, fromme Mutter, von welcher sie Zeit ihres Lebens kaum auf Tage sich getrennt hatte, vollendete zu Herrnhut im angetretenen 86. Lebensjahre und im 52. Jahre ihres Wittwenstandes am 29. Juni 1854. Ein von derselben verfaßter Lebenslauf mit einem Schlußworte von der Hand der Tochter, welcher ebenso rührend, als erbaulich zu lesen ist, befindet sich in dem Archive der Brüder-Unität.[3]

Der Verlust der geliebten Mutter, an deren Seite sie während eines Zeitraums von 47 Jahren (seit 1807) stets einen großen Theil des Jahres in Herrnhut zugebracht hatte, wirkte auf Henriette so mächtig ein, daß sie zu dem Entschlusse sich gedrängt fühlte, ihre dortige liebe Heimstätte aufzugeben.

Noch in demselben Jahre 1854, welches so überreich an Trennungsschmerzen für sie geworden war, schlug Fräulein v. d. Sahla ihren Wohnsitz hier in Dresden auf, um den Rest ihres Lebens, dessen Ende sie damals näher glaubte, als es in den Sternen geschrieben stand, in der Nähe von Verwandten und Freunden zu verbringen.

Die hier ihr entgegengebrachte Liebe und vor Allem ihr demuthsvoller Christenglaube ließen nach und nach


  1. Das Krucifix, später durch ein größeres ersetzt, hat seinen Platz jetzt in der Sakristei. Mündlich von Herrn Pastor emer. Ficker, vormals zu Sohland a. d. Spree, jetzt in Dresden.
  2. Vgl. „Sachsens Kirchen-Galerie“, Oberlausitz, S. 218.
  3. Viele der oben mitgetheilten Thatsachen sind diesem „Lebenslaufe“ entnommen.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 1 (1892 bis 1896). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1892–1896, Seite 80. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Erster_Band.pdf/87&oldid=- (Version vom 28.4.2024)