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Anmutig, wie ihr ganzes Wesen, waren ihre Briefe; warme Menschenliebe, tiefe Religiosität, ungekünstelte Bescheidenheit durchdrangen dieselben und ein köstlicher Humor trieb seine Blüthen, auch noch, wie es in einem Briefe an eine ihr besonders theure Freundin aus dem Jahre 1882 heißt: „bei dem langsamen Pendelschlage des 89. Lebensjahres“.

Vor einigen Jahren war es aufgekommen, seine Freunde in ein Buch einschreiben zu lassen, in welchem zugleich eine Menge vorgedruckter Fragen zum Zwecke der Selbstcharakterisirung zu beantworten waren. In einem solchen Buche lautet auf die Frage: „Welchen geschichtlichen Charakter liebst Du am wenigsten?“ ihre ebenso humorvolle als tiefernste Antwort: „Den alten Adam!“

Bei der im Ganzen guten Gesundheit, welcher auch noch die Greisin sich zu erfreuen hatte, – nur die Füße wollten in den letzten Jahren den Dienst etwas versagen, – konnte es nicht ausbleiben, daß von befreundeter Seite auch in ihrer Gegenwart mitunter der Wunsch und die Hoffnung zum Ausdrucke gebracht wurde, sie noch das Alter von hundert Jahren überschreiten zu sehen. Mit größter Bestimmtheit erklärte sie stets, daß sie dies durchaus nicht begehre. Als einmal in heiterer Weise in sie gedrungen wurde, zu sagen, weshalb sie, bei ihrem Wohlbefinden, dem Wunsche der Freunde sich nicht anschließen wolle, erwiderte sie scherzend: „Allenfalls 99 Jahre alt; mehr aber nicht!“ und es kam nun zutage, daß, obwohl sie mit vollem Rechte noch Freude am Leben empfand, der Grund jener Ablehnung lediglich der, ihrer Bescheidenheit zuwiderlaufende Gedanke war, daß man sie als Hundertjährige besonders werde feiern wollen.[1]

Vor Vielen war sie in ihrem selten hohen Alter dadurch begnadet, daß die Zeit, die mit ihrem Flügelschlage alle Jugendblüthen abstreift, den schlimmsten, die Gedankenwelt treffenden Raub bis an den Abschluß ihrer Wallfahrt kaum merklich an ihr begangen hat.

Am 11. Juni 1891 ist Fräulein Henriette v. d. Sahla, beinahe 98 Jahre alt, in der von ihr lange Jahre hier innegehabten Wohnung (Eliasstraße 22, Parterre, rechts) sanft und ohne Todeskampf entschlummert. Ihre Ruhestätte befindet sich auf dem Trinitatisfriedhofe.

Was vergangen, kommt nicht wieder, -
Aber, ging es leuchtend nieder,
Strahlt es lange noch zurück
!“


Zu dem Briefe des Generals v. Thielmann
an den Hofrath Böttiger 1811.

In Nr. 2, Jahrgang 1893 der „Dresdner Geschichtsblätter" ist ein Aufsatz enthalten, betitelt: „Ein Brief des Generals v. Thielmann an Hofrath Böttiger 1811", der in seinen Einleitungs- und Schlußworten eine Rechtfertigung der Handlungsweise Thielmanns, ja sogar eine Verherrlichung dieses merkwürdigen Mannes enthält. Als sächsischer Soldat, dessen Herz warm für das geeinigte Deutschland schlägt, kann ich mich nicht enthalten, die politischen Wandelungen, denen der Charakter Thielmanns binnen weniger Jahre unterworfen war und unter deren Einfluß der fragliche Brief geschrieben wurde, näher zu beleuchten.

Adolf Thielmann wurde 1791 zu den Husaren mit Vortheil aus seinem bisherigen Regiment versetzt; eine Auszeichnung, die nicht Jedem passirte, denn nur die fähigsten Cavallerie-Offiziere wurden ausgewählt, um in dieses Regiment versetzt zu werden. – Die Rheinfeldzüge 1795 und 1796 trugen ihm den Heinrichsorden ein, welcher nur an sieben Offiziere ausgegeben wurde. Trotzdem war Thielmann mit seinem Schicksal unzufrieden und beabsichtigte 1804, Dienste in Oesterreich zu nehmen, von dem er sich damals Großes versprach. Dem Wohlwollen seines Obersten von Trützschler verdankte er es, daß er diesen Schritt aufgab. Der Kurfürst bewilligte ihm eine monatliche Zulage von 10 Thalern.

1806 wurde er nach der Schlacht von Jena, wo er gegen Napoleon gefochten, vom General v. Zezschwitz in das französische Hauptquartier geschickt, um über Auswechselung von Gefangenen zu verhandeln. Er überschritt hierbei seine Instruktion und wollte mit Napoleon über einen Frieden mit Sachsen unterhandeln. Napoleon äußerte hierüber seine Verwunderung, da Thielmann dazu keine Instruktion habe, und bedeutete ihm, daß er bereits dem Major Funcke gesagt habe, er werde sich mit dem Kurfürsten von Sachsen als nicht im Kriege befindlich betrachten, wenn dieser Dresden nicht verlasse und sich von Preußen trenne. Thielmann äußerte später: sowie Funcke damals die Monarchie, so habe er die Armee gerettet.

Die Unterhaltung mit Napoleon hatte seine politischen Ansichten vollständig geändert, er war zum glühenden Verehrer Napoleons geworden. Mit diesen Ansichten als Courier nach Dresden zum Kurfürsten zurückgekehrt, erlaubte er sich, seinem Monarchen auf das Dringlichste die Nothwendigkeit und die Vortheile einer Verbindung mit Napoleon auseinanderzusetzen.

Er wurde Major und Flügeladjutant, 1807 dem in Polen stehenden sächsischen Corps und 1808 dem


  1. Was in der obigen Darstellung nicht durch Citate belegt ist, beruht auf zuverlässigen Mittheilungen einiger hochverehrten Damen, welche theils verwandtschaftlich, theils freundschaftlich der Verewigten nahe gestanden haben, und auf eigenen Erinnerungen des Verfassers.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 1 (1892 bis 1896). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1892–1896, Seite 82. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Erster_Band.pdf/89&oldid=- (Version vom 28.4.2024)