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lauteten“. Sie gingen dem Kammersekretär von den verschiedensten Seiten zu. Theils wurden sie durch kurfürstliche Räthe und Beamte geliefert, wie Christoph von Carlowitz, den Kammermeister Hans Harrer, theils wurden sie direkt von ständigen Correspondenten zugeschickt. Wurde auf genaue Nachrichten aus den Hauptländern Europas schon aus politischen Gründen großer Werth gelegt, z. B. bezüglich der Stimmung im Reiche wegen des Verhältnisses zum Kaiser, zu Frankreich u. s. w., so wurden sie besonders wichtig, seitdem der Kurfürst selbst sich in größere Handelsunternehmungen eingelassen hatte, die durch den Gang der politischen Verhältnisse wesentlich beeinflußt wurden.

Gern benutzte der Kurfürst seinen Kammersekretär dazu, um vertrauliche Nachrichten aus dem eigenen Lande zu erhalten. Jenitz mußte dann sich genaue Kenntniß über die Stimmung, die öffentliche Meinung, die Aufnahme einzelner Regierungsmaßregeln verschaffen und dem Kurfürsten Bericht erstatten. Ohne Angabe des Verfassers erschienene Bücher waren Gegenstand seiner Nachforschungen. Schwierige Verhandlungen, deren unbedingte Geheimhaltung der Kurfürst wünschte, wurden Jenitz anvertraut. Erwähnt sei folgender Vorfall.

Bei einer Fahrt des Kurfürsten im Jahre 1575 drängte sich ein Mann an den Wagen des Kurfürsten und bat flehentlich um Gehör; er wisse wichtige Geheimnisse. Und nun erzählte er von einer wunderbaren nächtlichen Begegnung in der Dresdner Heide im Mordgrunde. Der Kurfürst ließ ihm einen Thaler reichen und zu einem eingehenden Verhöre an Hans Jenitz weisen, das dieser in einem ausführlichen Schreiben dem Kurfürsten genau berichtete. Der Mann nannte sich Thomas Heckel und war ein Bäcker aus Stolpen. Er erzählte, er sei Nachts nach Dresden gegangen, um Korn zu kaufen. Da sei ihm ein Licht in den Mordgrund vorangegangen und schließlich sei ihm ein Mann in langem Kleide mit verhülltem Angesichte erschienen, habe ihm befohlen zum Kurfürsten zu gehen und ihm drei Warnungen vorzutragen: 1. sollte der Kurfürst nicht auf den bevorstehenden Reichstag nach Regensburg ziehen, sondern einen seiner Räthe hinschicken; der (kürzlich in Leipzig im Gefängniß gestorbene) Dr. Krakau habe ihm vertraut, die Verrätherei wäre jetzt groß, der Kurfürst könne Niemandem trauen; 2. solle er das Wild abschaffen, das den armen Leuten gewaltigen Schaden mache; wenn Jemand drei oder vier Scheffel aussäe, so ernte er kaum einen; dazu schössen die Förster den Bauern die Hunde weg, die das Wild von den Aeckern wegjagen könnten; der Kurfürst solle dies verbieten; 3. solle er die Theuerung des Getreides abschaffen, so werde ihm Gott Glück in seiner Regierung und Heil in seinem Hause zu Theil werden lassen. Er fügte noch allerlei abenteuerliche Reden hinzu. Die Nachforschungen über den Mann ergaben, daß man ihm nicht viel trauen dürfe; „er sei ein leichtfertiger, fauler Mensch, der mehr Bubenstücke mit Aufgrabung verstorbener Leute und Körper, bei denen er Geld vermuthete, und Zauberei geübt habe“. Der Kurfürst fuhr zum Reichstag; vielleicht hängt es aber mit diesem Vorgange zusammen, wenn in den Briefen an Jenitz nach Regensburg die guten Nachrichten über das Befinden des Kurfürsten mit besonderer Freude begrüßt und die Aussicht auf baldige Rückkehr gepriesen wurde.

Natürlich war Jenitz infolge seiner Stellung von dem jedesmaligen Stande der politischen Angelegenheiten auf das Genaueste unterrichtet. Gingen doch die verschiedenen Gutachten durch seine Hände. Er kannte die Pläne des Kurfürsten; seinen Freunden konnte er zuerst die Entscheidungen mittheilen, die wie ein Damoklesschwert über dem Lande gehangen und die Gemüther lebhaft bewegt hatten.

Ein Beispiel aus der inneren Politik sei erwähnt. Im Anfange des Jahres 1577 hegte man die Besorgniß, der Kurfürst werde den Leipziger Bürgermeister und Rath nicht bestätigen; in Leipzig wollte man sogar darauf wetten, er werde den Annaberger Zehentner, Hans Unwürde, zum Bürgermeister verordnen. Schließlich fiel die Entscheidung zu Gunsten der Leipziger Kandidaten aus. Jenitz hatte dabei seine Hand im Spiele. Denn Harrer dankte ihm für seine Vermittelung, sandte ihm auch den Gruß des neuen Rathsherrn Caspar Schellhammer, der in Bergwerksangelegenheiten eine angesehene und einflußreiche Persönlichkeit war. Bezeichnend ist, daß daneben Harrer selbst den Zweifel aussprach, ob die Wahl dieses Handelsherrn richtig gewesen sei, da ihn seine Geschäfte vielfach auf längere Zeit nach auswärts führten.

Auch in die geheimen Pläne war der Kammersekretär eingeweiht. Im Frühling 1577 besuchte Kaiser Rudolf II. die Stadt Bautzen. Der Kurfürst hatte die Absicht, behufs einer Besprechung mit diesem in die Sechsstadt zu reisen, wollte aber Niemanden von dem Vorhaben und der Ausführung wissen lassen. Natürlich wußte Jenitz davon und schrieb darüber vertraulich an den Kammermeister, der jedenfalls des Geldpunkts wegen ins Geheimniß gezogen wurde, auch wegen seiner zahlreichen Verbindungen am schnellsten von der Ankunft des Kaisers unterrichtet war. Die Absicht wurde, wie es scheint, fallen gelassen, namentlich auch deshalb, weil der Kurfürst alles Aufsehen vermieden wissen wollte und es sehr fraglich erschien, ob die Sache wirklich verborgen bleiben werde. Jenitz stand darüber mit dem Kammermeister in Briefwechsel.

Hin und wieder finden wir ihn auch zu diplomatischen Sendungen verwendet. Im Jahre 1563

Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 1 (1892 bis 1896). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1892–1896, Seite 92. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Erster_Band.pdf/99&oldid=- (Version vom 18.4.2024)