Zum Inhalt springen

Seite:Dresdner Geschichtsblätter Zweiter Band.pdf/45

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.

zugleich verändert, in der Gegend des großen Glockengemachs in den mittlern Thurm hinein gezogen und daselbst neben der Hauptmauer zugleich bis an den obern Umbgang, folgender Zeiten aber bis gar zu Ende des Mauerwerks und bis unter die Haube hinauf geführet und mit solcher Arbeit den 26. Octobris auf dies Jahr beschlossen...“

1673 wurde das Interims-Ziegeldach und Thürmchen abgetragen und die Aufmauerung des mittleren Thurmes vom obersten Umgange an fortgesetzt. Am 10. Juli schwebte der Thurm aufs neue in Feuersgefahr, indem abends gegen 6 Uhr ein Blitzschlag das zwischen die Fensterrahmen einer Kammer gestopfte Werg entzündete. Jedoch hat des Wächters Weib, so nebst einem kleinen Knaben sich dazumal drinnen befunden, das angezündete Werg alsobald mit Wasser ausgegossen und ist ihnen, außer dem großen Erschrecknüß, sonst kein Leid widerfahren. Ferner ist merkwürdig, daß bei damaligen schweren Gewitter eben selbigen Tages und Stunde es ebenmäßig zu Freiberg in den Glockenthurm der Domkirchen daselbst, wiewohl ohne sonderbaren Schaden, gleichfalls eingeschlagen, welches alles man insgemein vor keine gute Bedeutung halten wollen. Deus omen avertat!

Nachdem nun das ganze neue Mauerwerk vom Fußboden des obersten Ganges an bis unter die Haube, inclusive des dreifachen Gerüstes, so auswendig umb und umb geführet werden müssen und eine ziembliche Zeit erfordert hat, binnen zehn Wochen verfertiget und in die zwölf Ellen hoch und also umb drei Ellen höher, als er zuvorhin gewesen, aufgeführet, ist den 9. Aug. solches zu Ende und völliger Perfektion gebracht.... Obiter ist hierbei mit zu gedenken, daß bei völliger Aufführung des Mauerwerks am hohen mittlern Thurm observiret, daß die Fläche des öbersten Simses, worauf die Haube gesetzet, nach dem Augenmaß der Bleiwage in der geraden Linie ganz gleicher Höhe gewesen mit dem Knopfe des großen damals noch stehenden alten Schloßthurms, so aber nach der Zeit eine andere Gestalt überkommen.

Nachdem nun diesen verwichenen Sommer über die neuen Glocken nach und nach umbgegossen, auch endlich verfertiget, und also das völlige Geläute bishero eine gute Zeit im Gießhause zur Probe aufgehenket gewesen, mittler Zeit auch das Mauerwerk am Thurmbau zu Ende gebracht, so ist man nunmehro zuvörderst darauf bedacht gewesen, die neuen Glocken auch ehistes vollend an ihre gehörige Stellen zu befördern.... Wie wohl nun die sämbtliche Glocken und Seigerschellen auf den Thurm hinauf zu schaffen viel Mühe und Arbeit gekostet, so hat doch insonderheit wegen der größten Glocke es absonderliche große Mühewaltung erfordert, inmaßen dann selbig anfänglich den 7. Okt. aus dem Gießhause in den großen Hof beim Salzhause gelegen gebracht, folgendes Tages aber den 8. ejusd. bis an den Pulverthurm und der 9. dito von dannen neben dem Frauenkirchhof übern Neumarkt durch die große Frauen- und Niklas- oder Schössergasse übern Alten Markt bis vor die Kreuzkirche geschaffet worden und und zwar auf nachfolgende Art und Weise: Es ist dieselbe auf zwei starken langen Pfosten, gleichsam wie auf einer langen Schleife stehend, welche vorn aufwärts wie eine Schlittenkuffe zugespitzt, gesetzet, darnach längst hin aufn Pflaster wieder zwei Pfosten neben einander wie eine Brücke geleget, über dieselben aber querüber etliche Walzen geleget, dann umb die Glocke mitten herumb ein groß Seil geschlagen, folgends in einer langen Strecke hin, soweit sichs nach der geraden Linie der Gassen leiden wollen, ein Pfahl mit einem Kloben in die Erde eingeschlagen, dann etwas weiter hinaus wiederumb ein gerader Baum aufgerichts in die Erde feste gemacht und oben an der Spitze des Baums zwei Seile zum Widerhalt angebunden und in die Erde angepflöcket, unten aber an dem aufgerichteten Baum ein darzu gemachtes Rad mit einer langen und weiten Achse, an welcher das Klobenseil angemacht, mit einem Querbaum von sechs starken Mannspersonen umbgedrehet und das Klobenseil aufgewunden, auch durch dieses Mittel die Glocke immer sachte und sachte uf den Walzen so lange, bis sie fast den Pflock des Klobens erreichet, fortgezogen worden, da man denn immer von einer geraden Strecke bis zur andern fortbauen müssen, unterweges aber die Beiarbeiter mit Hebebäumen hinten und vorn, auch mit Fortbrückung und Einrichtung der Walzen und sonsten allenthalben das ihrige auch darbei gethan. Und ist hierbei kurzweilig zu gedenken, als die Glocke nachmittags auf den Markt kommen, daß an das lange Seil, wormit die Glocke fortgezogen worden, so viel kleine Jungen sich angehenget und ganz allein ohne Zuthun der zuvor gebrauchten machinae die Glocke nicht weit vom Rathhause an bis vor die Kreuzkirche gezogen und zwar mit solcher Geschwindigkeit, daß die Arbeiter mit Fortlegung der Pfosten und Walzen kaum zu rechte kommen können....“ Das Aufziehen der Glocke erfolgte am 14. Oktober nachmittags zwischen 1 und 3 Uhr; dabei wurde eines der Seile „von etlich und dreißig bis vierzig Stück Jungen gezogen, welches Seil zwar, daran die Jungen gezogen, bald im Anfange, als die Glocke kaum der Kirchthüren hoch in die Höhe gebracht, dergestalt daß die Jungen ingesambt mit großen Gelächter des Volks übern Haufen auf die Erde hingefallen, entzwei gerissen, jedoch aber am abgerissenen Ende bald wieder nachgegeben und von neuen zum Zuge fertig gemachet worden, wiewohl es deshalben keine sonderliche Gefahr gehabt, weil die Glocke ohnedeß schon genugsam verwahret und versichert gewesen....“

Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 2 (1897 bis 1900). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1897 bis 1900, Seite 42. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Zweiter_Band.pdf/45&oldid=- (Version vom 7.6.2024)