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Seite:Dresdner Geschichtsblätter Zweiter Band.pdf/59

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15) Samstag 91/2 Uhr verfüge ich mich nach Stadt Rom, um Rauch abzuholen. Mit ihm ist seine Tochter und eine Enkelin. Auch Rietschel ist da, sowie dessen Frau. Wir begeben uns alsbald nach dem Museum bei sehr günstiger Beleuchtung. Rauch sieht mit außerordentlicher Theilnahme, mit größter Aufmerksamkeit und, ich möchte sagen, mit Hingebung. Der Eindruck, den die Sammlung in Verbindung mit dem Aufstellungsort macht, ist ein sehr starker. Rauch verläßt erst nach zwei Stunden die Galerie, obwohl wir nur den ersten Stock gesehen haben. Bendemann und etwas später Professor Hettner haben sich der Gesellschaft angeschlossen. Morgen geht Rauch nach Pillnitz. Er wird den König sehen und gewiß günstigen Bericht über seinen Besuch des Museums abstatten. An dem Ständchen, das Rauch morgen Abend in Pillnitz die Künstler bringen werden, kann ich nicht Antheil nehmen.

17) Montag. Die Bedenken, welche in Betreff der Aufstellung des Rafael in mir erwachten und deren ich bereits Erwähnung gethan, veranlaßten mich heute mit Schirmer, dessen Einsicht und Charakter ich immer mehr achten lerne, die Sache zu überlegen. Wir machten uns die zwei Gesichtspunkte deutlich, unter welche sich die Aufstellung des Gemäldes bringen läßt. Das Oberlicht gewährt eine über die Berechnung gehende magische Wirkung, das ist nicht zu leugnen. Die isolirte Aufstellung, wie sie jetzt durch mich bewerkstelliget worden ist (in Uebereinstimmung mit den von Anfang an vielseitig ausgesprochenen Wünschen), gewährt einen solchen Zauber nicht; aber sie zeigt das Bild in klarer und voller Beleuchtung, sie gestattet vollkommen ruhige, bequeme Beschauung, während der Standpunkt, von welchem aus man das Bild in dem Oberlichtsaale sehen würde (ich müßte mir es jetzt an der Stelle des Bagnacavallo, nur tiefer, denken), in der Linie läge, wo die Besucher der Säle hin und her wogen. Im Winter wird das Oberlicht wohl zuweilen stark getrübt sein durch Schnee, es werden häufig Wassertropfen da herab träufeln etc. etc.; das Bild würde nur zugleich mit vielen andern Bildern gesehen werden können; ob das Glas nicht spiegeln würde und deshalb entfernt werden müßte, ist zweifelhaft; kurz, es ist sehr die Frage, ob der zugestandene Vortheil der magischen Oberlichtwirkung gegen die jetzt erwähnten Vortheile der isolirten Aufstellung in Betracht kommen kann. Morgen wollen wir das Bild in den Oberlichtsaal bringen und sehen, wie es sich ausnimmt. Ich werde dann dem Minister von der Sache sagen und, wo möglich, bewirken, daß der König selbst entscheidet. Während ich mit Schirmer diese Angelegenheit in Erwägung ziehe, macht Rauch in meinem Hause einen Besuch. Seine herrliche Erscheinung macht auf Frau und Töchter einen großen Eindruck. Rauch erwähnt, daß der König, bei dem er gestern in Pillnitz speiste, über das Museum und die Aufstellung der Gemälde noch ganz entzückt sei.

18) Dienstag.... Um 10 Uhr bin ich im Museum, wo alles vorbereitet ist, um den Rafael in den Oberlichtsaal zu bringen. Als wir mit der Aufstellung desselben beschäftiget sind, werde ich benachrichtiget, daß der Minister im Museum sei. Da kommt er uns gerade recht. Ich gehe hinab zu ihm, sage, daß ich die Absicht gehabt hätte, ihn um einen Besuch des Museums zu bitten, erkläre mich ausführlich über die Lage der Sachen und bitte ihn endlich, das Bild nun selbst einmal in dem Oberlichtsaal anzusehen. Der Minister erklärt, daß er für keine Aenderung stimmen könne und werde, man soll die Leute reden lassen, was sie wollen. Die gestern bemerkten Bedenklichkeiten hinsichtlich des Oberlichts und der Aufstellung in dem großen Saal sind ihm ganz klar. Der König hat sich gegen ihn ganz zufrieden ausgesprochen und es namentlich ausgesprochen, daß der Rafael ihm nie solchen Eindruck gemacht, wie an der von mir ihm angewiesenen Stelle. Weder diese, noch irgend eine andere Anordnung soll nun noch geändert, sondern nur getrachtet werden, das Museum bald möglichst zu eröffnen. Er hofft, daß diese Möglichkeit schon für nächsten Sonntag eintreten werde, was ich allerdings nicht hoffe. Dem sei, wie ihm wolle, ich bin in hohem Grade erfreut, daß die Sache so abgelaufen und ein Riegel vorgeschoben ist gegen Alle, die zu mäkeln geneigt sind und an meiner Aufstellung noch herumflicken wollen. Ich selbst bin an der Richtigkeit der Wahl des Platzes nicht irre geworden, habe aber in Betreff der großen Verantwortlichkeit, die mit dem Festhalten des eigenen Gedankens gegenüber den Bedenklichkeiten Anderer verbunden sein könnte, vor einer definitiven Feststellung und Ausgabe bedeutender Summen (für die architektonische Umgebung des Bildes) alles in besonnene Erwägung ziehen und dem Minister zeigen wollen, daß die Sache allseitig erwogen ist. Durch des Ministers Ausspruch und, wenn dann der König noch einmal sich erklärt, was der Minister veranlassen wird, bin ich nun vollkommen gedeckt.... Nachmittags Direktorialversammlung des Kunstvereins. Es wird beschlossen, dem allgemeinen deutschen Kunstverein kein Gemälde von hier aus zum Ankauf in Vorschlag zu bringen, wodurch der Antrag, Hübners Karl V. in Vorschlag zu bringen, von selbst in Wegfall kommt, was Bendemann sehr verletzt und ihn mit Rietschel in peinlichen Konflikt bringt. Rietschel bringt den Abend dann bei uns zu und beruhiget sich wieder in heiterer Unterhaltung.

19) Mittwoch.... Abends wird vorgelesen aus dem Roman Freytags, welcher Aufsehen macht, „Soll und Haben“.

Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 2 (1897 bis 1900). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1897 bis 1900, Seite 56. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Zweiter_Band.pdf/59&oldid=- (Version vom 15.6.2024)