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Seite:Dresdner Geschichtsblätter Zweiter Band.pdf/85

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geprüften Rechnungen durch das Komite anerkannt und ein Schreiben an Rietschel beschlossen, worin derselbe gebeten werden soll, die Zeit zu bezeichnen, in welcher das große Modell von ihm würde geliefert werden können. Die zu erwartende Erklärung soll dann als Unterlage zu einem förmlichen Kontrakt dienen.

27) Dienstag.... Als ich im Entreezimmer des Museums durch mehrere Personen, die mit mir zu sprechen hatten, längere Zeit aufgehalten werde, fühle ich plötzlich meine Schulter leise berührt. Bein Umsehen wird mir eine sehr große und angenehme Ueberraschung zu Theil, indem ich Herrn Geh. Rath von Bethmann-Hollweg[1] erblicke. Er kehrte soeben mit Gemahlin und Tochter aus Italien zurück, die auch jetzt neben ihm stehen. Hollweg ist ganz entzückt über unser Museum und erklärt, was nach den unmittelbar vorhergehenden italienischen Eindrücken seine Bedeutung hat, daß dasselbe nach Inhalt, Räumlichkeiten und Aufstellung das schönste sei, das er kenne.

29) Donnerstag.... Abends lesen wir aus Perthes’ Leben, III. Band, und zwar den Abschnitt über Katholizismus und Protestantismus. Er enthält das Trefflichste, was ich je über diesen Gegenstand gelesen und gehört habe. Meine Ansichten und Vorempfindungen finden in dem, was Perthes selbst sagt, ganz ihren Aus druck. Die Räthsel lösen sich mir, so weit sie jetzt lösbar sind. Der Bauplan der Kirche liegt vor, soweit ihn die Bauleute und Baugehülfen einsehen und verstehen können, eine völlige Uebersicht hat der Bauherr nur ganz allein. Die Meinung der Einen, daß der Protestantismus die Kirche sein könne und werde, der Vorwurf der Andern gegen den Protestantismus, daß er darum nichtig und verwerflich sei, weil er eben die Kirche nicht ist, findet Berichtigung. Der Protestantismus ist ein Element der Kirche, das stets in ihr vorhanden war und ihr dringend nothwendig ist zu ihrem Ausbau und das zum Protestantismus geworden ist dadurch, daß man es aus der Kirche hat hinauswerfen wollen. Die katholische Kirche enthält das konservative Element, das aber der Erstarrung und Einseitigkeit verfallen war und immer von Neuem verfallen würde, wenn der Protestantismus gegen das sich einnistende Menschliche nicht immer protestirte und für die neuen Zuflüsse aus göttlichem Geiste und Wesen die Kanäle offen hielt. Kurz und gut, Katholizismus und Protestantismus gehören zur wahren, sich mehr und mehr aufbauenden Kirche, deren Grund- und Eckstein zwar gelegt, deren Schluß und Spitze menschlichen Augen aber noch verborgen ist, und welche der Bau-Herr allein in Seinem Bauplane weiß und kennt.

31) Samstag. Sterbetag meines guten Schwagers Blochmann. In dem Gartengrundstück des Pestalozzi-Stifts wird seine Büste aufgestellt und als ein Denkmal seiner Wirksamkeit und seiner Verdienste unter angemessener Feierlichkeit enthüllt und geweiht.... Die oben erwähnte Feier findet um 4 Uhr Nachmittags statt, und ich wohne derselben bei, wie die meisten Verwandten des edeln Dahingeschiedenen. Die Feier beginnt unter Gesang; Seminardirektor Steglich hält die Weiherede; Diakonus Schulze spricht das Gebet, nachdem die wohlgelungene Büste (Wittigs Arbeit) enthüllt worden; und mit Gesang wird die Feier beschlossen.

Juni.

1) Sonntag.... Als ich einen Brief an Wigand absenden wollte, kommt einer von ihm an, der mir Proben von kolorirten Bibelbildern und Holzplatten ankündigt; so wird die Absendung meines Briefes auf morgen verschoben.

2) Montag. Erst heute früh öffne ich die von Wigand mir gesendeten Packete. Die kolorirten Bibelblätter nehmen sich gar nicht so schlecht aus, trotz der flüchtigen Schmiererei. Ich habe die Genugthuung, zu sehen, daß das Zeug nicht todt zu machen ist, und schreibe Wigand, daß er in Gottes Namen mit dem Unternehmer, einem gewissen Geißler in Nürnberg, sich einigen soll.... Wie mir vor etlichen Tagen Kirchbach geschrieben hatte, daß nun etwas für ihn geschehen müsse, wenn er nicht in eine entsetzliche Lage kommen solle, das heißt: man müsse nun sein Bild kaufen; so schreibt mir heute auch seine Braut einen Brief von gleichem Inhalt. Sie sagt: „Sollte es möglich sein, daß man einen Charakter, der so aufrichtige und reelle Bestrebungen hat, ganz zu Grunde könnte gehen lassen!“ Wer ist „man“ und was heißt „zu Grunde gehen lassen“? Etwa die Bilder nicht kaufen, die einer malt, die nicht gut, nicht durchgebildet sind, die der Schüler aber trotz der Unzufriedenheit der Lehrer und sogar der Mitschüler für große Kunstwerke hält ?

5) Donnerstag. Es werden mir heute zwei neue Holzschnitte zur Bibel gebracht. Der eine ist von Aarland in Leipzig gearbeitet, „Rahab, welche die israelitischen Kundschafter errettet“, und der andere von Obermann, „Die Schlacht des Josua wider die Amoriter“. Beide Blätter sind tüchtig gemacht.

7) Samstag.... Ein Porträt, von Prof. Rößler gemalt, den seiner Zeit berühmten Schauspieler Ochsenheimer darstellend, welches Hofschauspieler Heine der Galerie schenken will, betrachtet man als eine geistreiche und gelungne Arbeit, deren Erwerbung.... sehr wünschenswerth sei[2].


  1. Moritz August von Bethmann-Hollweg, früher Professor der Rechtswissenschaft in Bonn, von 1858 bis 1862 preußischer Kultusminister (gest. 1877).
  2. Wurde nach der Angabe des Galerie-Katalogs zu Nr. 2196 im Jahre 1868 geschenkt.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 2 (1897 bis 1900). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1897 bis 1900, Seite 82. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Zweiter_Band.pdf/85&oldid=- (Version vom 14.6.2024)