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Seite:Dresdner Geschichtsblätter Zweiter Band.pdf/88

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4) Freitag.... Im Museum finde ich Schirmer bei den letzten Pinselstrichen an der Madonna. Wir Beide wünschen, daß Weiteres nicht geschieht, als geschehen ist. Schirmer hat überzeugende technische Gründe, von jeder Berührung des Christkindes abzurathen. Nach den gründlichsten Prüfungen stellt sich auch die Meinung immer fester, daß Palmaroli doch sehr gewissenhaft und schonend bei seiner Restauration zu Werke gegangen ist. Wir haben jetzt den Vortheil, mit Wenigem und ohne alle Verantwortlichkeit die Wirkung des Bildes außerordentlich gehoben zu sehen. Wie die Sachen stehen, wünschen wir, daß diese Angelegenheit keiner weiteren Berathung der Kommission unterworfen werden möge, und ich kann um so leichter von einer Einladung derselben absehen, als die Mitglieder derselben bei der letzten Zusammenkunft sich befriediget erklärten. Bei der heute Nachmittag stattfindenden Konferenz des akademischen Raths habe ich Gelegenheit, die Meinung Rietschels und Hübners hierüber noch besonders einzuholen, und Beide halten eine weitere Berathung für nicht nothwendig. So ist diese Sache denn abgethan und das Bild für etwa 30 Jahre wieder gesichert. Gott gebe Denen, die dann etwa das Bild wieder vornehmen, die Einsicht und Pietät, die unser Schirmer jetzt bewiesen hat. Eine Erklärung, die wir bei den Akten hinterlegen wollen, soll über die Natur des Bildes das nöthige sagen und als Mahnung für Alle dienen, die ihre Hände an das Bild legen wollen[1].

5) Samstag. Auf dem Weg nach der Akademie begegnet mir Julius Platzmann, und ich nehme Veranlassung, ihn in seine Wohnung zu begleiten und eine Komposition nach einer Horazischen Ode zu sehen, die recht geist- und gemüthvoll war, wie Alles, was Platzmann macht. Schade, daß wenig Aussicht vorhanden ist, ihn in seinen Studien so vorschreiten zu sehen, daß man hoffen könnte, er werde einmal die Darstellungsmittel beherrschen und seine guten Gedanken auch auszuführen lernen. – Mit den Arbeiten der Schüler in der Akademie bin ich recht sehr zufrieden; fleißig waren Alle. Aster hat seinen Akt recht hübsch gemalt. Anstatt ein Gewand zu legen, zeichne ich eine kleine Studie nach einem von den Schülern gelegten Gewand.

9) Mittwoch. Um 8 Uhr wird die Madonna di S. Sisto in die neue Einrahmung gestellt. Die Wirkung des Bildes ist eine außerordentliche, der altarartige Aufbau bewährt sich vollkommen, und selbst das Glas erhöht die Wirkung des Bildes, das nun durchaus klar und saftig erscheint....

10) Donnerstag.... Gestern Abend brachte mir Obermann einen Abdruck seines Blattes „Sisseras Tod“.... Es ist tüchtig gearbeitet.

11) Freitag. Am Morgen Hofbaumeister Krüger und Schirmer vor der Madonna. Es wird die Farbe des Unterbaues etwas tiefer gestimmt und einige Glieder werden noch vergoldet; dann wird Alles recht sein.... Förster ist da.... Förster ist ganz entzückt, er erklärt, einen Eindruck zu haben, als sei das Bild ein neues; so belebt findet er die Farbe, so saftig und frisch die Schatten.

12) Samstag. Vom Oberhofmarschallamt werde ich benachrichtiget, daß Seine Majestät der König mit der Großherzogin von Toscana um 11 Uhr das Museum besuchen wird.... Der König ist mit der Aufstellung der Madonna sehr zufrieden und spricht sich dahin aus, daß nun auch die Holbeinsche Madonna eine entsprechende Aufstellung erhalten müsse,.... Bei dessen [Wigands] Fortgehen tritt Schnaase[2] in mein Haus. Ich sah ihn im Museum, konnte aber wegen Führung der hohen Herrschaften nur flüchtige Worte an ihn richten.... Sein Besuch macht mir viel Freude. Er ist eine edle, religiöse Natur, die sich mehr und mehr zu vertiefen scheint. An meinem Werk nimmt er großen Antheil. Die letzten Lieferungen sind ihm bei der Abreise von Berlin zugekommen. Er führt sie bei sich mit der Absicht, in Thüringen, wo er längere Zeit verweilen wird, etwas darüber zu schreiben als Fortsetzung des früher im Kunstblatt erschienenen Artikels.

13) Sonntag.... Gegen Mittag gehe ich über die Brücke, um Förster aufzusuchen. Ich finde nur Schwester und Nichte. Mit Geh. Rath Schnaase bin ich glücklicher. Ich finde ihn noch zu Hause und sehe ihn auch dann noch im Museum. Da giebt es sehr viel Leute, und Alles drängt sich nach dem Rafael. Ich mache eine halbe Stunde lang den Thürhüter, um Ordnung zu halten und zu verhüten, daß die Leute nicht von beiden entgegengesetzten Thüren eintreten. Die Diener sind gedankenlos und unpraktisch und lassen die Dinge gehen, wie sie eben gehen wollen.

14) Montag.... Museum. Schirmer theilt mir mit, was der Hofbaumeister Krüger an unserer Einrahmung


  1. In welchem Zustande sich das Gemälde befand, bevor Palmaroli eingriff, ergiebt sich aus einer Aeußerung Quandts in seinem Briefe an Schnorr vom 29. August 1824: „Der herrliche Raffael, vielleicht sein edelstes Werk, ist dem Untergange nahe, ganz mit Schmuz bedeckt und so völlig ausgetrocknet, daß die Farbe sich abblättert“. Quandt hat „viel dazu beigetragen“, daß Palmaroli berufen wurde, und versichert später, daß er „wahrhaft Wunder an der großen Madonna von Raffael gethan, einen großen, als verloren aufgegebenen Garofalo gerettet, den Zinsgroschen von Tizian, den Arzt des Correggio und viele andere treffliche Bilder unvergleichlich wiederhergestellt, vielleicht eher zu viel von dem alten Roste habe stehen lassen, als davon weggenommen oder neu hineingemalt habe“ (s. Quandts Briefe an Schnorr vom 24. August 1826 und 17. Januar 1827).
  2. Karl Schnaase, Kunsthistoriker, Obertribunalsrath in Berlin (gest. 1875 in Wiesbaden).
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 2 (1897 bis 1900). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1897 bis 1900, Seite 85. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Zweiter_Band.pdf/88&oldid=- (Version vom 14.6.2024)