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assyrisch-babylonischen ähnelt, ist erklärlich, wenn man sich an die einstigen Handelsbeziehungen zwischen Persien und Indien und an die Herkunft auch der drawidischen Stämme aus nordwestlich von Indien liegenden asiatischen Gebieten erinnert. Aber welchen Überfluß an Phantasie zeigen diese Denkmäler z. B. im Vergleich mit den Pyramiden Ägyptens, wenn man diese für Monumente gelten läßt, und nicht vorzieht, sie für riesenhafte stilisierte Phallus- oder Lingam-Idole zu halten; über dieses interessante Problem werde ich in dem Kapitel Mysterien des Swajambunath-Gipfels wohl noch ausführlicher sprechen.

Felsentempfel der fünf Pandamas und Reliefdarstellung der „Buße des Arjuna“,[WS 1] dem der Gott Mahadewa das Pasupatageschoß verleiht; aus der Felsspalte steigen Nagajungfrauen[WS 2] mit Schlangenleibern aus der Unterwelt. Der Verfasser betrachtet die Allegorie.

Es ist schwer, seinen Standpunkt zu finden, wo man auch nur einige der auffallendsten Erscheinungen dieser Felsenwelt gleichzeitig überblicken könnte, die uns zu grenzenlosem Erstaunen über die unendliche hier einst verwendete und verschwendete Mühe hinreißen. Selbst beim Ersteigen des auf dem Jemapuram-Tempel ebenfalls aus dem Vollen herausgehauenen kleineren Tempels, der jetzt eine Leuchtturmlaterne trägt[WS 3] und einen weiten Ausblick über Land und See erlaubt, bleiben die wunderlichen, gewaltigen Reliefs verborgen, die viele Felswände überkleiden. Zum Kampf ausziehende Massen von Menschen- und Tiergestalten und götterfeindlichen Dämonen, die Szenen aus dem Heldengedicht Mahabharata[WS 4], wie z. B. Arjunas Buße, verkörpern sollen, sind der Gegenstand dieser Felsbilder, während auf anderen Felsblöcken in gigantischen, tief in das Gestein eingekerbten Lettern auf die Welträtsel bezügliche Sprüche buddhistischer Weisheit verkündet werden.

Auch die Steinbilder der als Wächter der Tempel aufgestellten buddhistischen Legendentiere, des Löwen und Elefanten, entziehen sich dort oben unserem Blick. Wohl aber können wir von der Höhe herab bis zum Meerstrande sehen; auch dort hat titanenhafter Bildnertrieb die daselbst umherliegenden monolithischen Blöcke zu fabelhaften Tempelpyramiden umgeformt, in deren düsteren Gewölben das Brausen und Wallen der steigenden und sinkenden Flut, zeitweilig unterstützt von dem Wogengebrüll tobender Orkane dem in der größern Felsenhalle stehenden riesenhaften Lingam-Gottheitsbilde einen ewig widerhallenden Lobgesang darbringt.

Opferkännchen zum Begießen der Lingam-Idole.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. WS: Reliefdarstellung : vergleiche Felsrelief „Herabkunft der Ganga“
  2. WS: Naga: vergleiche Naga (Mythologie)
  3. WS: kleinerer Tempel: vergleiche Olakkannesvara Temple
  4. WS: Mahabharata: vergleiche Mahabharata
Empfohlene Zitierweise:
Kurt Boeck: Durch Indien ins verschlossene Land Nepal. Ferdinand Hirt & Sohn, Leipzig 1903, Seite 96. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Durch_Indien_ins_verschlossene_Land_Nepal.pdf/138&oldid=- (Version vom 1.7.2018)