Seite:Durch Indien ins verschlossene Land Nepal.pdf/29

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

ekelhafte Brillenschlangen oder Kobras, bleiben bis zum Offnen der Körbe darin zusammengeringelt liegen und stellen sich erst auf einen Pfiff des Gauklers auf den Schwanz, um sich träge bald hier- bald dorthin zu wiegen und zu neigen. Ob diesen Vipern wirklich immer die Giftzähne, die sich doch stets erneuern, ausgezogen werden, oder ob sich diese Sorte Zauberer durch Einspritzungen von Schlangengift immun gegen die Bisse macht, kann ich nicht entscheiden; ich halte es aber für viel wahrscheinlicher, daß diese Leute ihre Schlangen mit einem Tuch reizen, bis diese wütend zubeißen, ihren Giftvorrat dort hinein entleeren und dadurch nach und nach weniger bissig werden. Jedenfalls leben solche Schlangen trotz reichlicher Fütterung mit Milch und Brot in der Gefangenschaft nicht lange, was bei der erwähnten „reizenden“ Behandlung auch kein Wunder ist.

Schlangenbändiger.

Wir tun besser, weiterzugehen, ehe der große Mann seine Glanznummer vorführt, den widerlichen Kampf einer solchen Schlange mit ihrem Todfeind, dem Ichneumon oder Mangus[WS 1]. Dies flinke kleine Tierchen ist nicht etwa gegen das Schlangengift unempfindlich, sondern so gewandt, fast regelmäßig der Kobra den Hals und damit die Giftdrüsen zu zerfleischen, bevor diese ihren Rachen erfolgreich zuschnappen kann. Für gewöhnlich sind die Giftdrüsen der Kobraschlange am Fuße des Zahnes durch einen Muskel geschlossen und werden erst nach einem Drucke mittels eines anderen Muskels durch einen feinen, den Zahn durchziehenden Kanal in die Wunde entleert, die dieser Zahn zuvor gestochen hat.

Palm-Strand bei Mount Lavinia.

Nach einstündiger Fahrt sind wir in Mount Lavinia. Eine klippenreiche Bucht liegt vor uns, von dichtem Palmwald umsäumt. So, gerade so malerisch haben wir uns den Strand von Ceylon vorgestellt! Doch niemand darf deswegen glauben, daß die ganze Insel so fruchtbar grünt wie hier im Süden; im regenärmeren Nordosten ist ihr Gestade stellenweise sogar sandig und kahl.

Den Palmen zu Füßen führt hart am Strande der Bahndamm entlang. Die Erbauer durften sich diese Kühnheit erlauben, denn die Küste ist hier durch ein weiter draußen unter der Meeresfläche liegendes tückisches, der Schiffahrt höchst verderbliches Riff vor übermäßigem Wogenschwall gesichert, den sie aus zweiter Hand empfängt.

Bald ändert sich das Aussehen der Bucht. Mit den Flutwellen kommen die Schiffer, die in dem nahen Fischerdorfe wohnen; in ihren Auslegerbooten vom Fange heim. Welch unvergleichlich seltsames Schauspiel, wenn diese vorweltlichen Kähne mit vom Wind geschwellten braunen, aus Kokosnußfaser geflochtenen Segeln unter gewaltigem Rauschen mitten in das grüne Palmendickicht hineinschießen! Bis zehn Seemeilen in der Stunde vermögen diese plumpen Boote zu segeln.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. WS: Mangus: vergleiche Mungo (Herpestes edwardsii)
Empfohlene Zitierweise:
Kurt Boeck: Durch Indien ins verschlossene Land Nepal. Ferdinand Hirt & Sohn, Leipzig 1903, Seite 9. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Durch_Indien_ins_verschlossene_Land_Nepal.pdf/29&oldid=- (Version vom 16.7.2018)