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Darstellung der hl. Teresia von Jesus

kennenzulernen und ihre Liebe zu prüfen. „So geschieht es auch bei dem Gebet der Vereinigung, nur ist hier der Vertrag schon fertig. Die Seele weiß schon gar wohl, wie vorteilhaft die einzugehende Verbindung für sie ist, und entschlossen, in allem den Willen ihres Bräutigams zu tun, sucht sie ihm auf alle ihr mögliche Weise. zu gefallen. Aber auch die göttliche Majestät, der die Aufrichtigkeit ihrer Liebe gut bekannt ist, hat ihr Wohlgefallen an der Seele. Darum will der Herr in seiner Barmherzigkeit, daß sie ihn noch mehr kennen lerne; er kommt mit ihr zusammen und vereinigt sie mit sich … Weil aber dieser Bräutigam so erhaben ist, darum macht er sie durch diesen Anblick würdiger, ihm, wie man sich ausdrückt, ihre Hand zu reichen. Denn die Seele wird dadurch von einer solchen Liebe zu ihm entflammt, daß sie ihrerseits alles tut, was in ihren Kräften steht, damit diese göttliche Verlobung ja nicht durch ihre Schuld verhindert werde“[1].

Aber auch die sechste Wohnung ist noch nicht der Ort der Ruhe für die Seele. Ihre Sehnsucht verlangt nach der dauernden Vereinigung, die ihr erst in der siebenten Wohnung gewährt werden soll, und sie wird noch durch die härtesten äußeren und inneren Leiden erprobt. Sie wird von den heftigsten inneren Stürmen heimgesucht, die nur mit den Peinen der Verworfenen zu vergleichen sind und denen nur Gott ein Ende machen kann. Das geschieht freilich, und zwar indem der Herr „unerwartet mit einem einzigen Wort, das er spricht oder durch einen Zufall, den er herbeiführt, alles so plötzlich verscheucht, als wäre in der Seele keine trübe Wolke gewesen … Wie ein Kämpfer, der siegreich aus einer gefährlichen Schlacht hervorging, lobpreist die Seele unseren Herrn; denn er ist es, der den Sieg erfocht. Sie sieht ganz klar ein, daß nicht sie selbst gekämpft… und so erkennt sie denn deutlich ihre Armseligkeit und wie wenig wir aus uns selbst vermögen, wenn der Herr seine Hand uns entzieht“[2].

Freilich bedarf die Seele „um zu dieser Erkenntnis zu gelangen … keiner Betrachtung mehr; denn nachdem sie sich so gänzlich unfähig gesehen, hat sie aus der Erfahrung unsere Armseligkeit und Nichtigkeit kennengelernt“[3]. Zu den Leiden dieser Stufe gehört auch die Unfähigkeit zu beten. Die Seele findet weder bei Gott noch bei den Geschöpfen Trost. Was ihre Lage noch am ehesten erträglich macht,


  1. a.a.O. S. 134.
  2. a.a.O. S. 150 f.
  3. a.a.O. S. 151.
Empfohlene Zitierweise:
Edith Stein: Die Seelenburg. Editions Nauwelaerts, Louvain 1962, Seite 51. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Edith_Stein_-_Welt_und_Person.pdf/51&oldid=- (Version vom 31.7.2018)