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Martin Heideggers Existentialphilosphie

ausklingt, eben diese Frage, auf die es abgesehen war, oder kommt darin ein Zweifel zum Ausdruck, ob der eingeschlagene Weg der rechte war? Auf alle Fälle mahnt sie dazu, den Weg noch einmal rückblickend zu überschauen und zu prüfen.

Es wird nicht möglich sein, dabei alle Schwierigkeiten zur Sprache zu bringen, die schon die kurze Inhaltsangabe merken läßt[1]. Dazu wäre ein neues großes Buch nötig. Wir wollen uns nur an die Grundlinien des Gedankenganges halten und auf folgende Fragen eine Antwort suchen:

  1. Was ist das Dasein?
  2. Ist die Analyse des Daseins getreu?
  3. Ist sie ausreichend als Grundlage, um die Frage nach dem Sinn des Seins angemessen zu stellen?


I. Was ist das Dasein?

Es kann wohl kein Zweifel daran sein, daß Heidegger unter dem Titel Dasein das menschliche Sein fassen will. Wir dürfen auch sagen: den Menschen, denn das Dasein wird sehr oft ein Seiendes genannt, ohne daß Seiendes als „das, was ist“, dem Sein gegenüber gestellt werden dürfte. Es wird ja auch geradezu ausgesprochen, daß das Wesen des Menschen die Existenz sei. Das heißt nichts anderes,


  1. Es wurde in der Inhaltsangabe alles im engsten Anschluß an Heideggers eigene Darstellung und meist in seiner selbstgeprägten Sprache geboten: mit allen Dunkelheiten, die ihr anhaften. Für die Auseinandersetzung muß dieser Weg verlassen werden, weil es sonst unmöglich wäre, zur Klarheit zu kommen. Dagegen besteht das Bedenken, daß „der Sinn alles dessen, was Heidegger lehrt, ein anderer wird, wenn man es in einer anderen Sprache diskutiert als in der eigens auf diese Lehre hin erfundenen“. (Maximilian Beck, Philosophische Hefte I, S. 6) Wollte man aber vor dieser Schwierigkeit haltmachen, so müßte man überhaupt darauf verzichten, sich den Sinn des Buches klarzumachen und dazu Stellung zu nehmen.
    Wie schwer es ist, diesen Sinn zu treffen, dafür ist ein Beispiel Alfred Delps Buch Tragische Existenz, Herder 1935, das in einigen wesentlichen Punkten der Darstellung durchaus unzutreffend ist. So wird (S. 53) behauptet, daß Dasein = res sei, während Heidegger mit allem Nachdruck betont, daß Dasein nicht etwa als res aufzufassen sei. S. 54 wird behauptet, das Sein der Außendinge sei ganz auf das Zeugsein beschränkt. Daß Heidegger das Vorhandensein der Dinge vom Zuhandensein des Zeugs als eine eigene Seinsweise unterscheidet, wenn auch nicht zur Klarheit bringt, scheint vollständig übersehen worden zu sein.
Empfohlene Zitierweise:
Edith Stein: Martin Heideggers Existentialphilosophie. Editions Nauwelaerts, Louvain 1962, Seite 90. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Edith_Stein_-_Welt_und_Person.pdf/90&oldid=- (Version vom 31.7.2018)