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Seite:EhrenfestStarr2.djvu/3

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nun längst nachgewiesen. Die Schwierigkeit liegt bekanntlich ausschließlich in der Frage nach dem Übergang von der Ruhe zur gleichförmigen Rotation.[1] Ich formulierte diese Schwierigkeit folgendermaßen:

„Es sei gegeben ein relativ starrer Zylinder vom Radius und der Höhe . Es werde ihm allmählich eine — schließlich konstant bleibende – Drehbewegung um seine Achse erteilt. Sei der Radius, den er bei dieser Bewegung für einen ruhenden Beobachter aufweist, dann müßte zwei einander widersprechende Forderungen erfüllen:

a) Die Peripherie des Zylinders muß gegenüber dem Ruhestand eine Kontraktion zeigen:

.....;

b) .... die Elemente eines Radius können gegenüber dem Ruhezustand keinerlei Kontraktion aufweisen. Es müßte

sein.“

Man vergleiche damit folgende Angaben des Herrn v. Ignatowsky: „Die Entfernung zwischen zwei Punkten des Zylinders, welche nicht auf demselben Durchmesser liegen, gemessen, als der Zylinder noch ruhte, wird nicht gleich sein der Entfernung zwischen denselben Punkten synchron gemessen, wenn der Zylinder rotiert“ (§ 3, Ende).

„Meines Erachtens scheint die ganze Sache auf einem Mißverständnis zu beruhen. Messen wir ein Linienelement längs des Umfanges der“ — stationär rotierenden — „Scheibe synchron, so bekommen wir einen Wert, der kleiner als ist, wo den“ — an der rotierenden Scheibe synchron gemessenen — „Radius der Scheibe bedeutet. Darin liegt aber absolut kein Widerspruch, sondern es erklärt sich alles aus der Definition der synchronen Messung ...... Im allgemeinen können wir die wahre Form und Dimension eines starren Körpers durch Messung dann und nur dann festlegen, wenn der Körper ruht. Die Messungen an bewegten Körpern ergeben nur scheinbare Werte .....“ (Schlußanmerkung).

§ 3. Im Interesse einer Aufklärung über den Sinn der Worte

„Darin liegt aber absolut kein Widerspruch, sondern alles erklärt sich aus der Definition der synchronen Messung“

erlaube ich mir Herrn v. Ignatowsky höflichst zu bitten, er möge zu zwei sogleich zu formulierenden Fragen Stellung nehmen. — Behufs präziser Fassung dieser Fragen schicke ich eine Verabredung und eine Behauptung voraus.

Die Kreisscheibe sei auf ihrer ganzen Fläche mit unendlich vielen individuell kenntlichen Marken versehen.

Während die Scheibe ruht, hält der ruhende Beobachter ein Pauspapier über sie und paust die Marken auf das ruhende Blatt durch.

Während die Scheibe stationär rotiert, hält der ruhende Beobachter ein Pauspapier über sie und paust in dem Moment, wo seine Uhr auf zeigt, mit einem Schlag alle Marken auf das ruhende Blatt durch.

Schließlich mißt der ruhende Beobachter die Markenverteilung auf den ruhenden Pausbildern und durch.

Ich behaupte: Die derartig auf ausgemessene Peripherie- und Radiuslänge fällt in vorliegendem Beispiel genau mit dem zusammen, was Herr v. Ignatowsky nennt: Scheibenumfang bezw. Scheibenradius an der stationär rotierenden Scheibe vom ruhenden Beobachter im Moment „synchron gemessen“. (Siehe Definition der „Synchronmessung“ in § 2 der Arbeit von v. Ignatowsky.)

Meine Fragen an Herrn v. Ignatowsky lauten:[2]

Frage 1: Ist die zuletzt formulierte Behauptung richtig? Wenn nicht — worin besteht dann der Unterschied zwischen dem Resultat, das der ruhende Beobachter durch „synchrone Messung“ der rotierenden Scheibe erhält, und dem Resultat, das die Ausmessung des ruhenden Pausbildes liefert?

Frage 2: Wenn meine Behauptung richtig ist, so werden die Aussagen, welche Herr v. Ignatowsky über „synchron gemessene“ Peripherie und Radius zusammenstellt und merkwürdigerweise als absolut widerspruchslos bezeichnet, zu folgenden Aussagen über die Pausbilder: Das Pausbild hat denselben Radius wie und dabei ist seine Peripherie kürzer. Wie soll man sich Pausbilder von solcher Eigenschaft widerspruchslos vorstellen?

Petersburg, 4. Oktober 1910.

(Eingegangen 7. Oktober 1910.)

  1. M. a. W.: Trivial war, zu beweisen, daß Gl. (20) durch die stationäre Rotation befriedigt wird. Was bewiesen werden müßte und ohne Beweis am Ende von § 5 behauptet wird, ist dies: daß sich eine Bewegung des Zylinders angeben läßt, die ihn von der Ruhe zur stationären Rotation überführt und dabei — entgegen dem Resultat von Noether — fortwährend die Gl. (20) erfüllt!
  2. Es wäre sehr wünschenswert, im Falle einer weiteren Diskussion die Ausdrücke „wahre“ und „scheinbare“ Gestalt der rotierenden Scheibe durchaus zu vermeiden oder wenn dies unmöglich sein sollte, den Sinn dieser Ausdrücke durch eine möglichst einfache und strikte Verabredung festzulegen.
Empfohlene Zitierweise:
Paul Ehrenfest: Zu Herrn v. Ignatowskys Behandlung der Bornschen Starrheitsdefinition. Physikalische Zeitschrift 11, S. 1127-1129, S. Hirzel, Leipzig 1911, Seite 1129. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:EhrenfestStarr2.djvu/3&oldid=- (Version vom 31.7.2018)