Seite:Ein Ernstlicher Ruf an die Deutschen in Pennsylvanien.pdf/12

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Rom ist nicht das einzige Beyspiel dieser Art. Solcher Beyspiele finden wir in der Geschichte der Welt noch viele mehr. Und, ins besondere, haben wir, in unsern heutigen Tagen, ein hohes Exempel vor Augen. Frankreich schrie auch Freyheit! Freyheit! Um der Freyheit willen war man bereit alles dahin zugeben. Man warf um sich mit Feuer und Schwerdt. Und was war der Erfolg? Gerade die, die am lautesten Freyheit! Freyheit! brüllten — gerade die stürzten am ersten dis sonst brave Volk in den tiefsten Schlamm der Sclaverey. Und Gott nur allein weiß, wenn es anders mit ihnen werden soll.

Wie es kommt, daß Judge M’Kean den man euch zum Gouvernör aufdringen will, wie es kommt daß der nun einer von den Liberty-Schreyern geworden, das ist leicht zu errathen. Es ist nicht gar lange daß er zu dieser Classe von Leuten gehört. Es ist nur seitdem er Hofnung hat Gouvernör zu werden. Damals da die Constitution formirt wurde, da war er ganz anders Sinnes. Damals verglich er das gemeine Volk nur mit „schmalen Bier“ und gab es als seine Meynung daß man in Staatssachen, sich gar nicht an den sogenannten Pöbel zu kehren habe.

So lang als ich ihn kenne, ist er immer eines stolzen, ehrgeizigen Characters gewesen. Unser jetzige Gouvernör hat viel an sich das man mit Recht an einem Governör tadeln kan[WS 1]. Aber das ist doch eins an ihm, daß er eines freyen Zutritts ist. Wer nur zu ihm kommt, er sey reich oder arm, dem begegnet er mit der grösten Höflichkeit und dem freymüthigsten Wesen. Wie würdet ihr aber erstaunen, wenn der M’Kean unglücklicherweise euer Gouvernör wäre und ihr kämet in sein Haus, und woltet etwas freymüthig mit ihm umgehen, und er führe euch auf das rauhste an — Wißt ihr wer ich bin? Hat er dis zu hundert malen gethan da er nur ein Judge war, wie viel mehr wird er es thun wenn er sogar ein Gouvernör ist.

Freylich jetzt hält er seinen hohen, stolzen Geist auf eine zeitlang in Schranken; jetzt kan er mit jederman reden; jetzt heuchelt und schmeichelt er; ja, was das schändlichste ist, jetzt beweißt er gar oft, die allerhandgreiflichste Partheylichkeit gegen diejenigen, die er, vor wenigen Jahren, eine „schweinische Heerde“ gescholten hätte. Seyd ihr aber so unglücklich und macht ihn einmal zum Gouvernör, so werdet ihr bald finden daß er viel zu alt ist, seine tief eingewurzelte Gesinnungen so eilends zu verändern: Ihr werdet finden, daß er, starr einem Freunde des Volks, ein wahrhafter Tyrann ist — Ein Tyrann, der dem heftigen Sturm seiner Leidenschaften, keinen Einhalt zu thun weiß — der weder Höflichkeit noch Gefälligkeit besitzt — sondern mit der eitelsten Einbildung seiner Größe aufgeblasen ist: So daß, wenn ihr auch, als gute Bürger, in ihm die Gouvernör ehren müstet, ihr doch den Mann als einen Gegenstand des Abscheues und der herzlichsten Verachtung ansehen würdet.

Ich will nichts mehr von ihm sagen, ihr möget sonst meynen, es sey Neid oder sonst so was böses das mich dazu antreibe. Gott aber weiß es, ich habe nur euer Wohl und das Wohl des ganzen Landes vor Augen. Partheylichkeit ist es auch nicht das mich gegen diesen Mann zu schreiben bewegt, ob ich schon bekennen muß daß ich keiner von denen bin, die man schlechterdings unpartheyisch nennen kan. Aber hört was die Parthey ist zu der ich mich immer schlage. Die Parthey die

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: an einem tadeln Governör kan
Empfohlene Zitierweise:
unbekannt: Ein Ernstlicher Ruf an die Deutschen in Pennsylvanien. Gedruckt bey Johann Albrecht und Comp. in der Prinz-Strasse, Lancaster 1799, Seite 12. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ein_Ernstlicher_Ruf_an_die_Deutschen_in_Pennsylvanien.pdf/12&oldid=- (Version vom 20.8.2021)