Seite:Ein Reichsweisthum über die Wirkungen der Königswahl aus dem Jahre 1252.pdf/13

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Ganz freilich möchte ich die Möglichkeit, dass man am Hofe Ludwigs des Bayern eine von der Glosse des Hostiensis unabhängige Ueberlieferung des Weisthums von 1252 hatte, nicht in Abrede stellen. Vielleicht liesse sich an eine bloss mündliche Tradition denken, die dann freilich nur eine sehr unbestimmte gewesen sein könnte. Denn dass im Jahre 1338 ganz andere Bedürfnisse und Zwecke fast genau dasselbe Resultat gezeitigt haben sollten, wie die gemeinsame Politik des Papstes und Königs im Jahre 1252, ist ohne die Annahme einer Ueberlieferung fast zu auffällig.

Das Weisthum von 1252 ist, um das endlich noch hervorzuheben, für uns deshalb besonders lehrreich, weil es uns zeigt, in welchen Formen in jener Zeit auch die höchsten Fragen des Reichsrechtes entschieden wurden. Schon in früherer Zeit, besonders aber unter den Staufern wurden staatsrechtliche Fragen vielfach durch Reichsweisthümer geregelt, dafür aber, dass auch über die wichtigsten Grundlagen der Reichsverfassung solche Reichssprüche ergingen, gab es bisher vor der Zeit Rudolfs von Habsburg kein sicheres Beispiel. Durch den Vorgang von 1252 dürfte meine Vermuthung, dass solche von den Fürsten unter König Richard gefundenen Urtheile die Grundlage für die im Entwurf der Bulle Qui celum von 1263 c. 6. 7 mitgetheilten Rechtsgewohnheiten über die Königswahl bilden[1], fast zur Gewissheit erhoben werden; und auch die neuerdings von mir angedeutete Möglichkeit, dass gegen Ende 1256 durch ein solches nicht erhaltenes Weisthum der Kreis der Kurfürsten als der ausschliesslichen Wähler des Königs, auf Grundlage der sogenannten Erzämtertheorie, wie er uns im Januar 1257 fest abgeschlossen und allseitig anerkannt entgegentritt, festgestellt sei[2], dürfte jetzt Anspruch auf grössere Wahrscheinlichkeit erheben können.


  1. MG. Const. II, n. 405 p. 523 sqq.; vgl. meine Quellensammlung n. 74, Vorbemerkung.
  2. Hist. Zeitschr. XCIV, 211 f.