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Adolphe D'Ennery, Gustave Lemoine: Herzmutterchen!

HERZMUTTERCHEN!

LUSTSPIEL IN EINEM ACT

von

Dennery und Lemoine.

Deutsch von Moritz Preusse.


No. 123 des Bühnen-Repertoirs des Auslandes, herausgegeben von Both (L. Schneider).


PERSONEN.

Therese Gauthier.
Louise, ihre Schwester.
Isidor,
Benjamin, ihre Brüder.
Arthur.
Emil.

(Einfach meublirtes Zimmer. Links vorn ein schön gearbeiteter Secretair, darüber ein Frauenportrait; weiter zurück eine Thür. Rechts vorn ein Arbeitstisch, auf dem Platten, Hammer und andere Werkzeuge zum Notenstechen liegen. Weiter zurück eine Thür zu Benjamin’s Zimmer und ein Fenster. Im Hintergrunde Mittelthüre, zu deren Rechten ein Kamin mit Vasen, Stutzuhr und Spiegel, zur Linken ein Klavier mit Noten steht.)

SCENE I.

Therese (allein, sitzt am Secretair, schreibt und rechnet). Miethe... Holz... Licht... Isidor’s Schneider... so bliebe nur noch der Bäcker. Ja! Ordnung regiert die Welt, besonders wenn man eine redliche Hausmutter ist. Drei Jungen – Aller Ehre werth! – und ein Mädchen, mein armes, kleines Schwesterchen. Ja, sonst besorgte Louise mein Ausgabebuch – aber sie hat doch nun einmal fort gewollt! „Du hast mich doch tüchtig ausbilden und lernen lassen,“ sagte sie; „das muss uns doch nun auch Etwas einbringen. In einem Schloss bei Orleans will man mir die Erziehung eines Kindes anvertrauen; dorthin will ich gehen und mein verdientes Geld Dir zur Unterstützung senden.“ Und das war wohl gut, denn seitdem konnte ich meinen kleinen Gustav, meinen Jüngsten, in Pension bringen. Aber – wo blieb ich denn? – Aha, hier beim Bäcker. (Zählt die Marken.) 1 – 2 – 3 – Ei, ei! Es hat uns diese Woche herzlich gemundet, (lacht) 3 sechspfündige Brode! Benjamin verschlingt unglaublich viel – er wächst aber auch sehr! Er ist schon ein grosser Bursche für vierzehn Jahr. Hat denn Gustav nicht neue Schuhe bekommen? Ja wohl, und das zweite Paar in diesem Monat. Ist das Kind ein Reissteufel! – und obenein hat er mich noch um eine Springschnur gebeten – meine seelige Mutter sagte aber: Kinder müssen laufen und sich herumtummeln – das stärkt sie. – Folglich muss eine Springschnur gekauft werden. (Rechnet.) Alles in Allem gerechnet bleiben mir 20 Francs von meiner Wocheneinnahme übrig – mein liebes Goldstück! – Wie habe ich aber auch gearbeitet! Nie unter 6 Francs jeden Tag verdient (steht auf und wendet sich zum Bildniss.) Oh Mutter, theure Mutter, wie danke ich Dir, dass Du mich etwas Tüchtiges lernen liessest! (Zeigt das Goldstück.) Sieh nur Mutter, wieder Eins – die Summe wächst und bald ist sie voll. – Ach welch seeliger Tag wird das sein! (Sie geht zum Secretair und öffnet eine Chatoulle.) Ihr lieben goldnen Sterne, du kleiner Schatz, den ich so mühsam allen unbewusst hier gefangen halte, wann schlägt die schöne Stunde, wo ich dir die Freiheit wiedergeben kann? – (Sie setzt sich und zählt die Goldstücke.) Das ist doch sonderbar! – wieder – wenn ich es zähle, stimmt es nie – aber immer zuviel – letzten Donnerstag waren es doch nur 360 Francs in Gold – heut sind es 380. Jetzt werde ich aber, um sicher zu gehen, den Betrag aufschreiben. (Schreibt.) 380 und 20 macht 400 und mit den Banknoten die Totalsumme von 4400 Francs. – So, nun ist kein Irrthum möglich! (Es klopft.) Jemand kommt! (Schliesst rasch den Secretair.)

Emil (von aussen). Sind Sie schon auf, Mamsell Thereschen?

Therese (öffnet rasch). Ach, Sie sind’s, lieber Emil! Sein Sie willkommen! –


SCENE II.

Therese. Emil.

Emil. Wirklich schon auf? Aber welch’ alberne Frage, Sie beschämen ja die Sonne noch im Frühaufstehen.

Empfohlene Zitierweise:
Adolphe D'Ennery, Gustave Lemoine: Herzmutterchen!. Druck und Verlag von A.W. Hayn, Berlin 1847, Seite 1. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ennery_Lemoine_Herzmutterchen_1847.pdf/1&oldid=- (Version vom 23.6.2023)