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Adolphe D'Ennery, Gustave Lemoine: Herzmutterchen!

Emil. Was wirst Du aber Deiner Schwester sagen?

Isidor. Dieses wüsste ich weniger!
(Schweizerfamilie.)

„Wer seine Arbeit niemals thut,
Und statt des Büffelns lieber ruht,
Dem schmeckt die Ruhe süss.“

Emil. Sei doch stille mit Deinem alten Freischütz!

Isidor. Selber Freischütz! Schweizerfamilie. Landleute mit Schippen und Spaten im dritten Akt.

Emil. Und Du hast nun keinen Heller in der Tasche?

Isidor. Was ist denn Grosses dabei? Man hat ja Freunde, z. B. Herr Arthur, mein Advokat, mein Vertheidiger!

Emil. Du würdest von ihm Geld borgen?

Isidor. Borgen? Pfui Cato! – Man hat ja noch werthvolle Effekten in seiner Brieftasche? – Wer hat nicht Lyoner oder Nordbahn-Aktien, Ludwigshafen-Bexbacher, Steele-Vohwinkel. (Wichtig) Augenblicklich habe ich zwar fühlbaren Mangel daran, – aber – ich könnte deren haben – kurz ich gab meinem Advokaten ein Papier zum Einwechseln und erwarte ihn hier mit meiner Baarschaft.

Emil. Welch ein Kummer für die gute Therese und gerade heute an ihrem Namenstag! –

Isidor. St. Theresia – dies verkündet Dir dies Liebeszeichen (nimmt eine Rose aus dem Hut).

Emil. Welch eine schöne Rose!

Isidor. Eccola qua! sagt Madame Viardot-Garcia im Barbier von Sevilla. Wie scheint Ihnen diese Staude? Ich ging über den Boulevard, als sie mir plötzlich in die Augen fiel und die Verkäuferin dito. Sie war blühend, schwarzäugig und nicht übel conservirt – die Verkäuferin – nur war ich etwas in Verlegenheit, da mein Münzkabinet jetzt Lücken hat. (Er klopft auf seine Tasche.)

Emil. Stehst Du, das ist recht.

Isidor. Was thuts! Ich drückte den Hut unternehmend auf’s linke Ohr und nähere mich trillernd (singt):

Rose, wie bist Du so reizend, so schön!

Emil. Schon wieder etwas aus dem Freischütz!

Isidor. Denkt nicht daran! – Phantasie-Romanze! – Ich frage also im schönsten Recitativ, indem ich ihr dabei einen verliebten Blick zuschleudere: Reizende Blumistin, wie theuer ist dies Ihr ergebenstes Ebenbild? – 10 Sous, weil Sie es sind, schöner Herr, anwortet die Horticulturbeflissene. – Bemerke gefälligst, dass sie schöner Herr sagte. Ich nicht faul, fasse die dralle Brünette beim Kopf und brenne ihr einen so liebenswürdigen Kuss auf die Backe, so liebenswürdig, dass er ihr ausnehmend gefallen haben muss. Sie lächelte. (Ernsthaft) Wie schmeckt Ihnen diese Tulpe? sage ich – 5 Francs das Stück – fester Preis – kann ihn nicht wohlfeiler geben – wirklich fester Preis. Da lächelt sie abermals – sagt: Thut mir leid, dass ich von der Sorte keine Münze bei mir habe, um herauszugeben. Thut nichts – sage ich – ich gebe Credit. Sie bleiben mir 4 Francs 50 Cent. schuldig – ich komme nächstens wieder vorbei – sie lächelt zum dritten Male – ich dito, schnippe ihr die Rose weg und da ist sie.

Emil. Na, das ist eine sonderbare Art, Blumen zu kaufen.

Isidor. Aber gut! Ich habe ein Angebinde und Du hast keins.

Emil (mit Betonung). Oh und was für eins – tausendmal schöner als das Deine!

Isidor. Tausendmal! Donnerwetter! Dann hast Du wohl einen ganzen Wald entwurzelt.

Emil (sieht Louise und Benjamin rechts eintreten). Schau nur!


SCENE V.

Vorige. Louise. Benjamin.

Isidor. Louischen, Louischen in Paris? Das ist doch eine Ueberraschung!

Benjamin (freudig). Beim Meister war sie versteckt!

Louise. Mein guter, lieber Isidor, wie freue ich mich, Dich wieder zu sehen!

Isidor. Und ich erst! Tausend alle Welt! Ich könnte vor Wonne weinen! (er singt eine Polkamelodie und tanzt mit Louise und Benjamin.) Vivat Polka! Ist das ein Jubel! Eine Freude! – (zu Louise) In Deinem alten Schloss, da war’s wohl nicht geheuer – es hat Dir da nicht behagt, nicht wahr?

Louise. Ach, ich war sehr unglücklich! Mir war so weh um’s Herz (bei Seite) fern von ihm.

Isidor. Und da bist Du wieder zum alten Taubenschlag hineingeflogen – und das war recht von Dir, mein Louischen. Wir werden Dich schon aufheitern, zum Lachen bringen – und um gleich einen guten Anfang zu machen, müssen wir auf eine Geburtstag-Ueberraschung für unser Thereschen sinnen. Halt, ich hab’ eine prächtige Idee: wir sägen die Füsse an ihrem Stuhl durch – wenn sie kommt, setzt sie sich – fällt und wird von unseren Armen aufgefangen. – Lebendes Bild – Rrr.

Emil. Welch ein Einfall! – Denk auf eine andere Ueberraschung.

Benjamin (am Fenster). Sie kommt, sie kommt.

Emil. Die Ueberraschung?

Benjamin. Nein, Therese.

Isidor. Alle Hagel! – nun bleibt uns nichts übrig, als uns rasch zu verbergen. (Er treibt Louisen in’s Zimmer links und geht dann in Benjamins Zimmer, der sich unter dem Tisch versteckt. Nachdem Emil vergebens einen Versteck gesucht, bleibt er verlegen, den Kranz auf dem Rücken haltend, in der Mitte des Zimmers stehen.)


SCENE VI.

Therese. Emil. Die Andern (versteckt).

Therese (wirft unmuthig Shawl und Hut auf’s Clavier). Nichts! Gar nichts auf der Post! Das ist doch unrecht, sehr unrecht von ihr. Man sollte seine Lieben nicht so vergessen. (Bemerkt Emil) Ach! da sind Sie ja noch, Emil! –

Emil (versteckt die Sträusse, die Benjamin gebracht hat). Nein, Mamsellchen, oder vielmehr – ja!

Therese. Mein Gott! Was machen Sie denn für ein sonderbares Gesicht?

Emil (verlegen). Ich! Ach, Sie irren Sich, Mamsell. Gewiss, ich mache gar kein Gesicht.

Therese. Nun, ich sehe doch, dass Ihnen irgend etwas fehlt.

(Unterdess hat Isidor Louisen leise gewinkt, die aus der Thür links unbemerkt hinter ihre Schwester tritt und plötzlich ihre Augen zuhält; diese ruft erschreckt) Ach!

Isidor (singt in der Fistel). Blindekuh, Blindekuh, wer bin ich!

Therese. Du bist’s Benjamin.

Benjamin (unterm Tisch schreiend). Ich bin’s nicht! (Er kömmt hervor.)

Therese. Aber wer ist’s denn? Doch nicht Isidor? (befühlt Louisens Hände.)

Isidor. Oh Missverständniss! Hat ein Instrumentenmacher solche weiche Pätschchen!

Empfohlene Zitierweise:
Adolphe D'Ennery, Gustave Lemoine: Herzmutterchen!. Druck und Verlag von A.W. Hayn, Berlin 1847, Seite 4. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ennery_Lemoine_Herzmutterchen_1847.pdf/4&oldid=- (Version vom 23.6.2023)