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Adolphe D'Ennery, Gustave Lemoine: Herzmutterchen!

SCENE III.

Emil allein. Bravo! Sie ist fort! – Ach, es brannte mir so heiss auf der Zunge – es tobte in mir, herauszuschreien – „Ihre Schwester, Mamsell Louischen, ist unten bei mir – schon seit einer Stunde“. Wo wäre aber da die Ueberraschung, die Geburtstagsfreude geblieben? Doch jetzt bin ich allein, da muss ich vor allen Dingen ihr so auf meine eigene Art meinen Glückwunsch darbringen – (geht zum Secretair).

Benjamin (von aussen, in der Stube rechts). Herr Meister, Herr Meister!

Emil (bleibt stehen). Nun, sieh ein Mensch. Jetzt muss der Benjamin auch gerade aufwachen!

Benjamin. Herr Meister! Ist Schwester Therese ausgegangen?

Emil. Ja! (bei Seite) Ich will ihn herunterschicken, um Louise zu holen, so werde ich ihn los!

Benjamin (steckt den Kopf durch die Thür). Wo sind unsere Blumen?

Emil. Geh nur durch die Hintertreppe in meine Arbeitsstube, da wirst Du die Sträusse und viel Schönes, Unerwartetes finden. (Benjamin geht, Emil horcht.) Jetzt ist er hinunter. (Kommt zurück.) Nun rasch zur Sache. Als ich ihr dies Meubles schenkte, ahnte sie nicht, dass ich meine Taschenspielerkünste angebracht. (Er drückt an eine Feder, die Secretairklappe fällt auf und man sieht die Chatoulle.) Wusst ich denn nicht um das Geheimniss dieses Geldes, das sie so mühsam seit 4 Jahren sammelt? Du engelsfrommes Kind! Kam ich nicht unbemerkt dazu, als sie das Gelübde ablegte, mit der grössesten Aufopferung und Entbehrung den Namen ihres Vaters, der durch Verrath und Betrug falscher Freunde geschändet worden, wieder au Ehren zu bringen. Sie wähnte, dass Niemand es vernommen, doch ich wollte an ihrem edlen Werk auch meinen Antheil haben, und gelobte heimlich, ihr wie ein Bruder zu helfen. Nannte er mich nicht einst sein Kind – Das gab mir ja das Recht, im Unglück sein Andenken wieder zu Ehren zu bringen. – Da heut St. Theresienstag ist, so kommt heut nicht ein Goldfuchs, sondern fünf – (er legt 5 Goldstücke in die Chatoulle) wenn sie’s nur nicht merkt. – Du lieber Gott, wird die angeführt. (Isidor erscheint an der Mittelthür, Emil hört ihn nicht und zählt das Geld.) So, das sind gerade 4500 Francs.


SCENE IV.

Emil. Isidor.

Isidor. Alle Donnerwetter, 4500, das nenne ich ein Kapital. Excuse Ew. Excellenz, wenn ich Dich interrompo.

Emil (verdutzt). Ach Isidor! (er drückt an die Feder, der Secretair schliesst sich).

Isidor (näher kommend). Ich – ja wohl – Isidorus der Erste, König der lustigen Burschen – (singt – Barbier von Sevilla von Paesiello) Ich heisse Isidor – Bin nur reich an Liebe.
(Joconde von Nicolo Isouard.)

Und bin weit die Welt durchreiset,
Habe viel und Manches gesehen.

(Jägerchor aus: Der Freischütz.)

Lalala, lalala, lalala.

Jägerchor aus dem Freischütz, oder willst Du etwas Anderes, willst Du Auber, Meyerbeer, Rossini, Halevy, Bellini, Donizetti, Macaroni oder wie die Kerls alle heissen. Bin wie eine Spieluhr und immer auf gezogen. Brauchst nur zu sagen. Darum heisst es auch Schmauserei, Bal champêtre, Hochzeit, wo bist Du, wenn Isidor nicht dabei ist! (singt ein Polkathema und tanzt.) Das nennt man einen Pariser. Und nun ruhig. Guten Morgen, neueste Ausgabe von Cato!

Emil (bei Seite). Der hat glücklicher Weise nichts gesehen. (Laut) Guten Morgen!

Isidor. Was hast Du denn da mit Geld geklappert? Hast Du hier vielleicht Deine Privatsparkasse von 4500 Francs etablirt.

Emil (bei Seite). Da sitze ich in der Klemme. (Laut) I Gott bewahre! Es gehört mir ja nicht!

Isidor. Das sagt der Geizhals bloss, um nichts herauszurücken. Aber es hilft Dir nichts. Ich will Dich schon anpumpen!

Emil. Es war ja gar nicht mein Geld, sondern Deiner Schwester.

Isidor. Was, Theresens? Ah – allen Respekt. Präsentirt’s Gewehr! Ehe ich der was fortnehme, wollt’ ich mich ja viertheilen lassen!

Emil. Um des Himmelswillen bitt’ ich Dich, Isidor, sag’ ihr nichts. Unversehens bin ich selbst nur dahinter gekommen, als ich gerade etwas an dem Schrank ausbessern wollte. – Wenn sie es wüsste! –

Isidor. Darum keine Feindschaft, sei doch friedliebend. Man wird schon sein Sprachwerkzeug halten!

Emil. Wird man? Gieb mir Dein Wort darauf!

Isidor (singend).
(Zauberflöte, 1. Act.)

Auf Ehre, auf Ehre,
Wäre es auch Verbrechen.

Pamina aus der Zauberflöte. 1. Act Finale. Uebrigens ist’s ihr Geheimniss – geht uns folglich weiter nichts an.

Emil. Gewiss! –

Isidor. Arme, kleine Schwester, arbeitet und quält sich für uns!

Emil. Ja wohl!

Isidor. Plagt sich uneigennützig Tag und Nacht.

Emil. Ja wohl!

Isidor. Ach, mit Juwelen und Perlen möchte ich sie schmücken, ihr eine Krone aufs Haupt drücken, mit Gold bedecken, wie die Kuppel der Invaliden, was mir für den Augenblick allerdings eine schwere Aufgabe wäre, wegen gänzlicher Abwesenheit gangbarer Münzen.

Emil. Was Du sagst? Und Dein Lohn?

Isidor. Mein Lohn? Ausgeblieben, wie der Telegraph bei schlechtem Wetter. Wolken vorgezogen, war vor Nebel nichts zu sehen.

Emil. Wie kommt denn das?

Isidor. Als ich neulich zur Arbeit ging – gerade unterwegs war – (er singt den Marsch aus Wilhelm Tell) La la la (Ouverture aus Wilhelm Tell).

Emil (ihn unterbrechend). Lass doch Deinen ewigen Freischütz!

Isidor. Ach was, Freischütz! Musikalischer Schafskopf! Wilhelm Tell, Ouverture, Galopp. Also ich marschirte darauf los – da überraschte mich aber der Regen – Du weisst, Montag fing das Unwetter an, heut haben wir Donnerstag, und so bin ich denn wirklich 4 Tage auf’m Trocknen geblieben.

Emil. Was, 4 Tage hast Du so um die Ohren geschlagen? Du, der Aelteste der Familie, solltest doch Allen mit gutem Beispiel vorangehen! Gewiss hast Du wieder mit dem lockern Rabourdin zusammengesteckt.

Isidor. Cato, bleib’ ruhig und ereifere Dich nicht, sonst bekommst Du das Fieber, wie die Kartoffeln. Jetzt ist eine gefährliche Zeit für alle Knollengewächse. Verstanden Jüngling!

Empfohlene Zitierweise:
Adolphe D'Ennery, Gustave Lemoine: Herzmutterchen!. Druck und Verlag von A.W. Hayn, Berlin 1847, Seite 3. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ennery_Lemoine_Herzmutterchen_1847.pdf/3&oldid=- (Version vom 26.5.2023)