„Sie fügen sich also,“ sagte Thekla und schüttelte mißbilligend das Haupt.
„Ich füge mich, da ich die Zustimmung Ihrer Mutter nicht erzwingen, und noch viel weniger – Ihnen entsagen kann … Helfen Sie mir,“ flehte er leidenschaftlich, „helfen Sie mir den hohen Preis, den ich im Sturme erringen wollte, nun wenigstens nicht zu verscherzen! … Ich will alles lernen, sogar geduldig sein, wenn Sie mir liebevoll zur Seite stehen, ich will alles thun, um mich allmälig Ihrer werth zu zeigen, – nicht nur zu zeigen, es zu werden, so sehr mir dies überhaupt möglich ist, denn ganz und völlig Ihrer werth ist kein Mann auf Erden – das weiß ich wohl.“
Er sprach abgebrochen, hastig, und Thekla trat einen Schritt zurück, erstaunt, erschrocken über den Sturm heißer Empfindungen, der in ihm zu kämpfen schien. Seine Blicke ruhten auf ihr, beschwörend: Sprich! Antworte mir! … Aber Thekla verstand ihre glühende Sprache nicht, denn sie schwieg. Sie stand da, um einen Ton blässer als gewöhnlich, sie dachte: Das ist peinlich; und als sie die gesenkten Augen erhob, war es nicht zu ihm, der darauf harrte wie auf die Erlösung, sondern zu ihrer Mutter – war es rathlos und hülfesuchend …
Marianne erhob sich, ging auf Sonnberg zu und legte beschwichtigend die Hand auf seinen Arm.
„Sie sind ein Kind, mein lieber Graf,“ sagte sie, „trotz Ihrer dreißig Jahre, trotz Ihres großen Verstandes.“
Marie von Ebner-Eschenbach: Nach dem Tode. In: Erzählungen. Berlin: Gebrüder Paetel, 1893, Seite 327. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Erz%C3%A4hlungen_von_Marie_von_Ebner-Eschenbach.djvu/333&oldid=- (Version vom 31.7.2018)