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 Daß der Priesterkodex nicht das Deuteronomium zur Voraussetzung hat, ist aus den bereits gegebenen Ausführungen zu ersehen; es ist vielmehr der umgekehrte Sachverhalt anzunehmen; die frühe Existenz des Deuteronomiums selber wird durch einen Blick auf die geschichtliche Zeit, in der es nach W. entstanden sein soll, bestätigt. Was sollen in Josia’s Zeit die Verordnungen über Ausrottung der Kananiter Deut. 20, 16 oder Amalekiter 25, 17 etc.; über Eroberungen 20, 10–15; Kriegführung 20, 19 etc.? Deuteronomium spricht freundlich von Edom, vergleiche dagegen Jes. 34 und 63, Jer. 49, 17 etc., Obadja.

 Wir werden also recht thun, die Ordnung, in welcher die einzelnen Teile der pentateuchischen Gesetzgebung im Kanon aufeinanderfolgen, zugleich für die chronologische zu halten. Das bezeugen auch Stellen wie Lev. 27, 34; Num. 36, 13.

 Nach allem Vorstehenden sind die Resultate der neueren Kritik nicht derart, daß sie bestimmen könnten, von den herkömmlichen kirchlichen Anschauungen über die 5 Bücher Moses abzuweichen, oder ihren Inhalt in einem andern Sinn aufzufassen, als er selber aufgefaßt sein will, sintemal er das Siegel der Wahrheit in der Unbestechlichkeit, die keine Person ansieht, an sich trägt und vom neuen Testament in seiner Wahrhaftigkeit bestätigt wird. Für den, der das neue Testament annimmt, ist die Annahme des Pentateuchs, so wie er vorliegt als des authentischen zuverlässigen Denkmals der Gründung des Volkes Israel und als der Grundlage seines Daseins eine notwendige Folge. An der Geschichtlichkeit der Person Abrahams z. B. hängt schlechterdings auch die Prophetenautorität Christi; man denke nur an Ev. Joh. 8. Es bleibt nur die Wahl zwischen zwei Alternativen: entweder beide Testamente anzunehmen oder beide zu verwerfen. Als Zeugnis Christi für das Vorhandensein auch von Mose selber stammender Schriften kommen in Betracht Stellen wie Joh. 5, 45–47; Lucä 20, 37.

 Zur Litteratur vergl. Einleitung in das Alte Testament von Dr. H. L. Strack, München, O. Beck 1895. p. 204. Für die Abwehr der modernen Kritik siehe die dortgenannten Schriften von E. Rupprecht: Die Anschauung der kritisch. Schule Wellhausens vom Pentateuch, Leipzig 1893. Das Rätsel des Fünfbuchs Mose und seine falsche Lösung. Gütersloh 1894. Des Rätsels Lösung. Gütersloh 1895 und 1896.

 4. Zweck und allgemeine Kennzeichnung. Die Niederschrift alles dessen, was den Inhalt des Pentateuchs ausmacht, geschah zu dem Zweck, daß dadurch im heiligen Volk das Bewußtsein von der wunderbaren Entstehung seines Volkstums und seiner damit zusammenhängenden einzigartigen Stellung zu Gott und seiner Bedeutung für die Welt lebendig erhalten und für die Bewahrung der ihm anvertrauten und anbefohlenen göttlichen Verheißungen und Gebote eine sichere Grundlage geschaffen würde. – Daher ist Geschichtserzählung und Offenbarung im Wort in diesem Grundbuch