In ein ganz anderes Stadium tritt aber die Frage, wenn mehrere Bewerber da sind, die sich etwa zu gleicher Zeit habilitirt haben und die nämlichen Ansprüche zu erheben berechtigt sind. Dann beginnt ein Rennen der einzelnen um die Gunst ihres nächsten Fachordinarius, den man sich möglichst warm zu halten sucht, denn dann wird bei der Auswahl des Beglückenden die Bedürfnissfrage in den Vordergrund gestellt, und diese Bedürfnissfrage ist immer identisch mit der Personalfrage. Von nun an beginnt nicht selten der entsittlichende Weg, den die Docenten einschlagen müssen, um zu ihrem Ziel zu gelangen. Wenn das Anbeten des Ordinarius nichts hilft, fängt man an – vorausgesetzt, dass es nicht ungern gesehen wird – die Frau anzubeten, wenn es erwünscht ist, Töchter zu verehren, so werden Töchter verehrt, betanzt, bespielt, bemaskeradet u.s.w. Nicht wenige Docenten sinken in ihrem Kampfe um das Dasein noch tiefer, indem sie ihren Einfluss beim Ordinarius oder die süssen Abende, die sie in dessen trautem Familienkreis auf der Mast zubringen, zu Einflüsterungen gegen ihre Rivalen benutzen, wobei nicht selten gelegentliche, günstig angebrachte Verleumdungen bei schwachen Naturen eine dem Verleumdeten dauernd nachtheilige Wirkung hervorbringen.
Aber die Fakultätspäpste sind nicht allein von der Jagd der Docenten behelligt. Auch andere buhlen um ihre günstige Stimmung, besonders bei der philosophischen
Hans Flach: Der deutsche Professor der Gegenwart. Leipzig 1886, Seite 159. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Flach_Der_deutsche_Professor.djvu/167&oldid=- (Version vom 17.8.2016)