Wer der heute lebenden Professoren erinnert sich nicht aus seiner Studentenzeit eines Professors, der in zwei bis drei Stuben wohnte, eine sehr einfache Lebensweise führte und vermuthlich mit seinen 500 oder 600 Thalern Gehalt grosse Mühe hatte durchzukommen, besonders an denjenigen Hochschulen, an denen die Stundung der Vorlesungshonorare zur Gewohnheit geworden war? Wer weiss nicht, dass noch vor zwanzig Jahren dies fast eine gewöhnliche Erscheinung war, und dass der Professor überall der Menge desshalb näher stand, als heute, weil alles wusste, dass er es schwer habe und kaum anders leben könne, als ein Mann aus dem Volke? Dass desshalb besonders in grösseren Städten die Verehrung des Professors eine allgemeine war, und jung und alt auch ohne persönliche Bekanntschaft mit Ehrfurcht den Hut bei einer Begegnung zu lüften pflegte?
Diese Zeiten sind gewesen. Es kamen einige Decennien, in denen die zunehmende Theuerung aller Verhältnisse und die grösseren Ansprüche, welche das sociale Leben an den einzelnen machte, nur demjenigen noch gestattete, die akademische Laufbahn einzuschlagen, der ein so grosses Vermögen
Hans Flach: Der deutsche Professor der Gegenwart. Leipzig 1886, Seite 204. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Flach_Der_deutsche_Professor.djvu/212&oldid=- (Version vom 18.8.2016)