von der Grösse des Vermögens abhängig ist, so braucht man zunächst den vermögenden Professor, der mit der herrschenden Clique alles mitmachen kann. Aber fast in jedem Falle sind Selbständigkeit des einzelnen, Unabhängigkeit, Objectivität, Charakterfestigkeit Eigenschaften, welche mit dem Begriff der Unliebenswürdigkeit oder Unausstehlichkeit zusammenfallen, und die etwas trockenen, etwas pedantischen, wohlwollenden grossen Gelehrten vergangener Zeiten würden heute von den wenigsten Fakultäten berufen werden. Je mehr aber junge, unreife Streber in den Besitz von Ordinariaten kommen, desto mehr wird man sich bei Berufungen nur nach früheren Freunden und Studiengenossen umsehen. Damit erklärt sich die Thatsache, dass bei den heute so üblichen brieflichen Auskünften über eine Persönlichkeit ein einziger Mensch von der einen Seite als überaus liebenswürdig, von der andern als unausstehlich oder unverträglich geschildert wird, je nach der Stellung, welche der Schreibende zu dem Berufenen eingenommen hat. Corrumpirte Fakultäten berufen lieber eine gefügige wissenschaftliche Null, als eine bedeutende, aber selbständige Kraft.
Aus der Gewohnheit der brieflichen Anfragen ergiebt sich mit Nothwendigkeit, dass an keinem anderen Ort der cultivirten Welt, ausser in den Fakultäten, der Lüge und der Verleumdung so Thür und Hof geöffnet werden. Gewisse Fakultäten in Deutschland stellen chronisch einen Tummelplatz für
Hans Flach: Der deutsche Professor der Gegenwart. Leipzig 1886, Seite 244. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Flach_Der_deutsche_Professor.djvu/252&oldid=- (Version vom 18.8.2016)