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jedes Haus beweinte das Unglück, als wäre es ihm selbst zugestossen. 58 Besonders aber empfand Alexandra den tiefsten Schmerz, der sich noch vermehrte, als sie erfuhr, wie der Vorfall sich ereignet hatte. Doch musste sie aus Furcht vor noch grösserem Übel alles geduldig über sich ergehen lassen. 59 Oft zwar geriet sie in Versuchung, sich das Leben zu nehmen; aber stets hielt sie davon der Gedanke zurück, sie könnte, wenn sie am Leben bliebe, noch etwas dazu beitragen, dass ihr hinterlistig ermordeter Sohn gerächt würde. Sie stellte sich daher, als wisse sie nichts davon, dass ihr Sohn vorsätzlich getötet worden war, 60 und glaubte so eher eine Gelegenheit zur Rache finden zu können, da sie bei diesem Benehmen am wenigsten Argwohn erregte. Herodes selbst aber suchte überall den Anschein zu erwecken, als ob er an dem Tode des Jünglings nicht die geringste Schuld trüge, indem er nicht nur an der Trauer Anteil nahm, sondern sogar Thränen vergoss, wie wenn ihm die Teilnahme wirklich von Herzen käme. Es wäre ja immerhin möglich gewesen, dass ihn beim Anblick des in blühender Jugendschönheit dahingemordeten Jünglings aufrichtiger Schmerz ergriffen hätte, wenn es nicht allzu klar gewesen wäre, dass er den Tod desselben im Interesse seiner eigenen Sicherheit für notwendig gehalten hätte. Offenbar wollte er also mit seinem Gebaren nur die Schuld von sich abwälzen. 61 Besonders aber überschritt er in der Pracht des Leichenbegängnisses alles Mass, indem er die Aufbahrung mit peinlichster Sorgfalt und unter Herbeischaffung einer grossen Menge von kostbaren Spezereien vollziehen, wie auch viele Kleinodien mit begraben liess. Dadurch gelang es ihm denn auch, wenigstens die Trauer und den Schmerz der übrigen Frauen zu mildern und ihnen einigen Trost zu gewähren.

(5.) 62 Alexandra jedoch vermochte er nicht zu besänftigen. Vielmehr wuchs deren Schmerz von Tag zu Tag im Andenken an ihr grosses Unglück, und allmählich steigerte sich ihre Erbitterung derart, dass sie der Kleopatra von

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Flavius Josephus: Jüdische Altertümer. Otto Hendel, Halle a.d.S. 1899, Seite 300. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:FlavJosAnt2GermanClementz.pdf/300&oldid=- (Version vom 12.12.2020)