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diesen Vorwurf zu machen. 235 Denn auf die Schmähungen ihrer Mutter entgegnete sie kein Wort; auch verfiel sie nicht in die geringste Aufregung, sondern sie bewies ihren Unwillen über das schändliche Benehmen Alexandras nur durch einen stolzen, verachtenden Blick. 236 Dann ging sie unverzagt und ohne auch nur die Farbe zu wechseln, in den Tod und wahrte so noch bei ihrem Ende den Adel ihres Geschlechtes, was denn auch allseitig bemerkt wurde.

(6.) 237 So starb Mariamne, eine keusche und hochherzige Frau, die nur den einen Fehler besass, dass sie nicht genug Mässigung aufwies und deshalb von Natur etwas streitsüchtig war. An körperlicher Schönheit und Würde im Auftreten übertraf sie mehr, als es sich sagen lässt, alle Frauen ihrer Zeit, 238 und hierin lag auch die Ursache, warum sie sich gegen den König nicht besonders gefällig zeigte, sodass ihr Zusammenleben nicht frei von Unannehmlichkeiten war. Denn während sie von ihm aus grosser Liebe nachsichtig behandelt wurde und von seiner Seite keinerlei Härte oder Schroffheit zu erwarten hatte, war sie selbst freimütiger, als es sich ziemte. 239 Und da sie auch über das Leid, welches die Ihrigen betroffen hatte, grossen Unwillen empfand, scheute sie sich nicht, ihm hierüber offene Vorstellungen zu machen. Endlich brachte sie dann auch noch des Herodes Mutter und Schwester und sogar den König selbst gegen sich auf, dem sie doch das Vertrauen geschenkt hatte, dass er alle Übel von ihr abhalten würde.

(7.) 240 Als aber Mariamne tot war, entbrannte das sehnsüchtige Verlangen des Königs nach ihr nur noch heftiger wie früher. Seine Liebe zu ihr war nämlich nicht frei von Unruhe und nicht von gewöhnlicher Art, und wenn er sie anfangs fast wahnsinnig liebte, so liess diese Art der Zuneigung auch später nicht nach, obwohl Mariamne sich in ihrem täglichen Verkehr etwas zu frei und selbstbewusst benahm. 241 Jetzt aber schien es, als wenn Gott ihn für den Tod der Mariamne strafen wolle, indem seine Sehnsucht nach ihr sich immer mehr steigerte,

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Flavius Josephus: Jüdische Altertümer. Otto Hendel, Halle a.d.S. 1899, Seite 331. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:FlavJosAnt2GermanClementz.pdf/331&oldid=- (Version vom 12.12.2020)